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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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dann wird er mich vermutlich für sehr dumm halten.« Sie warf einen angewiderten Blick auf die bruchstückhaften Vollkornkekse und nahm dann einen.
    »Aber nein, ganz bestimmt nicht«, sagte ich aufs Geratewohl, denn Alfred hatte sich hierzu weder in diesem noch in jenem Sinne je geäußert.
    »Ich bin ganz sicher, dass er mich für dumm hält. Du willst mir doch nicht erzählen, dass er mich für klug hält?«
    »Doch, für sehr klug. Vielleicht sind Sie in seinen Augen keine Intellektuelle …«
    Ratsch! Schon saß ich in der Falle.
    »Allerdings! Keine Intellektuelle!«
    Ich erkannte sofort, dass sie furchtbar beleidigt war, und versuchte mich mit aller Kraft herauszuwinden, aber es gelang mir nicht, ich steckte bis zum Hals drin.
    »Verstehen Sie, in seinen Augen gibt es intellektuelle Frauen eigentlich gar nicht, vielleicht eine unter zehn Millionen – Virginia Woolf vielleicht …«
    »Vermutlich denkt er, ich würde nie etwas lesen. Viele denken das, weil sie sehen, was für ein rastloses Leben ich führe und wie ich mich für andere aufopfere. Auch ich würde lieber den ganzen Tag im Sessel sitzen und ein Buch lesen, ich würde es sehr wahrscheinlich auch so machen, aber in meiner Stellung kann ich mir das nicht leisten – ich kann nicht bloß an mich denken, verstehst du? Tagsüber lese ich nie Bücher, das stimmt genau. Da habe ich keinen einzigen Augenblick Zeit, aber was ich nachts tue, davon weiß dein Gatte nichts, und du ebenso wenig. Ich schlafe nämlich nicht gut, ganz und gar nicht gut, und nachts lese ich Bände .«
    Alte Tatler -Bände, so vermutete ich. Sie hatte die Hefte alle binden lassen, sie stammten noch aus der Zeit vor dem Krieg, es war wirklich eine faszinierende Lektüre.
    »Weißt du, Fanny«, fuhr sie fort, »es ist völlig in Ordnung, wenn komische kleine Leute wie ihr die ganze Zeit Bücher lest, ihr braucht nur an euch selbst zu denken, aber Montdore und ich, wir sind sozusagen Staatsdiener, wir müssen etwas erfüllen, die Anforderungen der Tradition und so weiter, Pflichten, weißt du, das ist etwas ganz anderes. Man erwartet sehr viel von uns, und ich denke und hoffe, nicht vergebens. Es ist ein schweres Leben, dass du dich da nur ja nicht täuschst, schwer und anstrengend, aber gelegentlich wird auch uns eine Entschädigung zuteil – wenn die Leute Gelegenheit bekommen, zu zeigen, wie sie uns verehren –, zum Beispiel, als wir aus Indien zurückkamen und die guten Leute aus dem Dorf unser Automobil die Auffahrt hinaufschleppten. Wirklich rührend! Solche Augenblicke kennt ihr intellektuellen Leute nicht. Nun ja«, sagte sie, während sie aufstand, um zu gehen, »man lebt und lernt. Ich weiß jetzt, dass ich nicht zähle – intellektuell, meine ich. Andererseits müssen wir natürlich bedenken, mein liebes Kind, dass all diese Studentinnen deinem Gatten eine sehr merkwürdige Vorstellung vom weiblichen Geschlecht vermitteln. Ich frage mich, ob ihm klar ist, dass er es nur mit denen zu tun hat, die nichts Besseres erhoffen können. Aber vielleicht findet er sie ja faszinierend – zu Hause ist er jedenfalls nie, wie ich sehe.« Sie steigerte sich jetzt in eine ungeheure Wut hinein. »Und wenn ich dir einen kleinen Rat geben darf, Fanny, dann diesen: Lies weniger Bücher, meine Liebe, und mach stattdessen dein Haus ein bisschen behaglicher. Das ist es nämlich, was ein Mann schätzt – auf lange Sicht.«
    Sie warf einen vielsagenden Blick auf die Vollkornkekse ohne Teller und ging, ohne sich zu verabschieden.
    Mir war ganz elend zumute, weil ich sie auf so dumme, taktlose Weise verärgert hatte, und ich glaubte fest, ich würde sie nie wieder bei mir sehen; seltsamerweise erleichterte mich dieser Gedanke aber nicht, er bedrückte mich nur.
    Doch Zeit zum Grübeln blieb mir nicht, denn kaum war sie fort, da platzten Jassy und Victoria herein.
    »Sind das etwa Vollkornkekse? Vicki – sieh mal, Vollkornkekse! Ist Fanny nicht wunderbar, man kann sich darauf verlassen, immer hat sie etwas Hinreißendes da – seit Wochen habe ich keine Vollkornkekse mehr gegessen, meine Leib- und Magenspeise!«
    Mrs Heathery, die die Kinder anbetete, hatte das Geschrei gehört, als sie hereinkamen, und brachte nun frischen Tee und eine Torte von Fuller, die weiteres Gejubel auslöste.
    »Oh, Mrs Heathery, Sie sind ein Engel, ist das etwa Fuller’s Walnuss? Wie kannst du dir das leisten, Fanny – seit Fas letzter Finanzkrise haben wir die nicht mehr gehabt – aber es geht aufwärts, wir sind

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