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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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praktische Zwischenstation auf halber Strecke zwischen London und Hampton wohnte und dass sie mich als Restaurant, Garderobe und Telefonzelle benutzen konnte, wenn sie in Oxford war.
    Sie war furchtbar einsam, man sah es ihr an. Jedes Wochenende füllte sie Hampton mit wichtigen Leuten oder mit schicken Leuten oder einfach nur mit Leuten, aber obwohl die Vorliebe der Engländer für das Landleben so groß ist, dass es ihr meist gelang, diese Besuche auf die Zeit von Freitag bis Dienstag auszudehnen, blieben noch immer zwei leere Tage mitten in der Woche. Sie fuhr jetzt seltener nach London. Sie hatte sich schon immer lieber in Hampton aufgehalten, wo sie allein regierte, während sie in London mit einer gewissen Konkurrenz rechnen musste. Aber ohne eine Polly, für deren Zeitvertreib sie zu sorgen hatte, und ohne einen Boy, der ihr im Getriebe der Gesellschaft zur Seite stand, war das Leben dort für sie vollends sinnlos und langweilig geworden.

3
    Ohne Zweifel war die Eintönigkeit ihres Daseins daran schuld, dass sie jetzt immer häufiger an Cedric Hampton, den Erben Lord Montdores, dachte. Außer der einfachen Tatsache, dass es ihn gab, wussten die Montdores noch immer nichts über ihn, und diese Tatsache hatten sie bisher stets als höchst überflüssig angesehen, denn hätte es ihn nicht gegeben, wäre »dies alles hier« insgesamt, Hampton inbegriffen, Polly zugefallen, und obwohl die anderen Dinge, die sie geerbt hätte, mehr Geld wert waren, liebten alle Hampton doch ganz besonders. Cedric Hamptons genaue Verwandtschaftsbeziehung zu Lord Montdore habe ich nie herausgefunden, aber ich weiß noch, wenn Linda und ich ihn früher »nachschlugen«, um herauszufinden, ob er das richtige Alter hatte, um uns zu heiraten, dann dauerte es immer eine Ewigkeit, bis wir ihn, mit spitzen Fingern die Spalten des Adelskalenders entlangfahrend, endlich gefunden hatten.
    … hinterließ Leibeserben,
    • Henry, geb. 1875, heirat. Dora, Tocht. v. Stanley Honks, Esq., aus Annapolis, Neuschottland, gest. 1913, hinterließ Nachkommen,
    • Cedric, gegenw. Erbe, geb. 1907.
    Das Alter war genau richtig, aber wie war das mit Neuschottland? Ein Atlas, den wir hastig zurate zogen, zeigte, dass es sich um eine furchtbar maritime Gegend handelte. »Eine transatlantische Insel Wight«, so formulierte es Linda. »Nein danke.« Seewind, sofern er dem Teint guttat, war für uns ein Mittel, aber kein Selbstzweck, denn damals stellten wir uns vor, wir würden dereinst in Metropolen leben und im Glanz unserer Diamanten die Oper besuchen: »Wer ist die reizende Frau dort?« – und für ein solches Leben war Neuschottland offensichtlich nicht der geeignete Ort. Anscheinend ist es uns nie in den Sinn gekommen, dass es Cedric aus seiner heimatlichen Heide auch nach Paris, London oder Rom verschlagen haben könnte. Ein Siedler, so dachten wir, ohne etwas zu wissen. Deshalb kam er nicht infrage. Ich glaube, Lady Montdore wusste kaum mehr als wir. Sie hatte nie Neugier und Interesse gegenüber diesen unpassenden Leuten in Kanada verspürt, sie gehörten zu den unerfreulichen Dingen im Leben, die sie lieber übersah. Jetzt aber, einsam und allein mit einem »das alles hier«, das eines Tages und, nach Lord Montdores Aussehen zu urteilen, keines allzu fernen Tages Cedric gehören würde, dachte sie immerfort an ihn, sprach von nichts anderem mehr und verfiel bald auf den Gedanken, dass es amüsant sein könnte, ihn kennenzulernen.
    Kaum war die Idee geboren, da wollte sie ihn auch schon im nächsten Augenblick sehen und geriet außer sich vor Wut, als sich nun Verzögerungen ergaben. Cedric war nämlich unauffindbar.
    Ich wurde über jede Phase der Suche nach ihm auf dem Laufenden gehalten, weil Lady Montdore jetzt an nichts anderes mehr denken konnte.
    »Diese idiotische Frau hat ihre Adresse gewechselt«, erzählte sie mir. »Montdores Anwalt musste Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie überhaupt ausfindig zu machen. Stell dir vor: umziehen! In Kanada!! Man sollte meinen, da sieht es überall gleich aus, oder? Reine Geldverschwendung, finde ich. Na ja, man hat sie schließlich doch noch gefunden, aber jetzt sieht es so aus, als würde Cedric gar nicht bei ihr leben, sondern irgendwo in Europa, sehr seltsam, dass er uns da noch nie besucht hat, und außerdem gibt es jetzt natürlich noch mehr Verzögerungen. Die Leute sind derart rücksichtslos – jeder denkt heutzutage nur an sich, sich, sich und an sonst gar nichts!«
    Zuletzt machte man

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