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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Cedric in Paris ausfindig. (»Höchst ungewöhnlich«, meinte sie. »Was um alles in der Welt hat ein Kanadier in Paris verloren?«) Eine Einladung nach Hampton wurde ausgesprochen und angenommen.
    »Er kommt nächsten Dienstag, für vierzehn Tage. Ich habe ihm die genauen Daten geschrieben, so mache ich das immer, wenn ich aufs Land einlade, damit es nachher nicht zu irgendwelchen Peinlichkeiten wegen der Dauer des Besuchs kommt und die Leute wissen, wann sie wieder gehen sollen. Wenn er uns gefällt, kann er wiederkommen, wir wissen ja jetzt, dass er in Paris wohnt, das ist doch nur ein Katzensprung. Aber was treibt er deiner Meinung nach dort, meine Liebe? Hoffentlich ist er kein Künstler. Also, falls er einer ist, müssen wir ihn unbedingt davon abbringen – er muss lernen, sich anständig zu benehmen. Wir lassen ihn in Dover abholen, dann ist er rechtzeitig zum Dinner da. Montdore und ich haben beschlossen, dass wir uns an diesem Abend nicht umziehen, denn sehr wahrscheinlich besitzt er ja keinen Abendanzug, und wir wollen ihn nicht schon gleich zu Beginn seines Besuches einschüchtern, den armen Jungen.«
    Das war nun ganz und gar nicht Lady Montdores Art, die andere Leute im Allgemeinen sehr gern einschüchterte; jeder wusste, dass es eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war. Aber Cedric sollte ihr neues Spielzeug werden, und bis die Zeit der Ernüchterung kam – sie musste kommen, da war ich so sicher, wie Norma im Fall von Mrs Heathery sicher war –, konnte nichts zu gut für ihn sein, und jede Verhaltensmaßregel war darauf berechnet, ihn zu entzücken.
    Auch ich dachte jetzt oft an Cedric, die ganze Situation war so interessant, und ich war sehr gespannt, wie er mit ihr zurechtkommen würde, dieser junge Mann aus dem fernen Westen, der plötzlich dem aristokratischen England in der Blüte seiner Dekadenz gegenüberstehen würde, dem Grafen aus Pappkarton mit seinem noblen Aussehen und seinen noblen Manieren, den riesigen, luxuriösen Häusern, den schreckenerregenden Dienstboten, einer Welt von unergründlichem Reichtum. Ich erinnerte mich, wie übertrieben mir dies alles als Kind vorgekommen war, und stellte mir vor, er würde es mit ganz ähnlichen Augen sehen und es ebenso überwältigend finden.
    Ich konnte mir aber auch vorstellen, dass er mit Lady Montdore gut auskäme. Denn gerade wenn sie jemandem gefallen wollte, hatte sie etwas Direktes, fast Kindliches an sich, das sich mit transatlantischer Art durchaus vertragen konnte. Darin lag die einzige Hoffnung, denn anderenfalls, und wenn er die geringste Furcht vor ihr zeigte, würde er untergehen. Immer wieder fielen mir jetzt Wörter ein, die für mich in einer verschwommenen Beziehung zu Kanada standen, das Wort »Holz«, das Wort »Hütte« und der Ausdruck »einen Claim abstecken« (Onkel Matthew hatte, wie ich wusste, in Ontario einmal zusammen mit Henry Oakes einen Claim abgesteckt, als junger Mann, in seinen wilden Pokerjahren). Wie gern wäre ich in Hampton gewesen, wenn dieser Holzfäller in diese Hütte kam, um seinen Claim abzustecken. Kaum hatte dieser Wunsch bei mir Gestalt angenommen, da ging er auch schon in Erfüllung, denn Lady Montdore rief an und fragte, ob ich nicht für den Abend nach Hampton herüberkommen und dort auch übernachten wolle, sie glaube, alles würde leichter werden, wenn bei Cedrics Ankunft eine zweite junge Person da wäre.
    Das war, wie ich Alfred sofort erklärte, eine herrliche Belohnung für meine Dienste als Hofdame.
    Alfred sagte: »Wenn du all die Zeit investiert hast, um eine Belohnung zu bekommen, soll es mir recht sein. Ich hatte nur etwas dagegen, weil ich dachte, du würdest dich aus fauler Gutmütigkeit und ohne besonderes Motiv von dieser alten Frau ausnutzen lassen. Das fand ich so entwürdigend. Aber wenn du auf eine Belohnung aus warst, ist es natürlich etwas anderes, jedenfalls dann«, fügte er mit einem missbilligenden Blick hinzu, »wenn der Lohn die Mühe wert ist.«
    Er war es.
    Die Montdores schickten mir einen Wagen nach Oxford. Als ich in Hampton ankam, wurde ich sofort nach oben in mein Zimmer geführt, nahm ein Bad und zog gemäß den Anweisungen, die mir Lady Montdores Mädchen überbrachte, ein Tageskleid an. Seit meiner Hochzeit hatte ich nicht mehr in Hampton übernachtet. Ich wusste, dass Alfred nicht gern dort war, und hatte Lady Montdores Einladungen deshalb jedes Mal abgelehnt, aber mein Zimmer war mir noch immer völlig vertraut. Nichts hatte sich darin verändert, die

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