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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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vor den Montdores, jedem der beiden eine lange, bleiche Hand entgegenstreckend. Er war ein großer, schlanker, junger Mann von mädchenhafter Geschmeidigkeit, in einem leuchtend blauen Anzug; das Haar hatte den goldenen Glanz eines Bettpfostenknopfes aus Messing, und dass er wie ein Insekt aussah, rührte daher, dass der obere Teil seines Gesichts von einer riesigen Sonnenbrille mit blauen Gläsern und gut zwei Zentimeter breiten goldenen Rändern verdeckt wurde.
    Er ließ ein Lächeln von überirdischer Vollkommenheit erstrahlen; entspannt und glücklich kniete er vor den Montdores und ließ sie nacheinander dieses Lächelns teilhaftig werden.
    »Sagen Sie nichts«, meinte er, »nur einen Augenblick. Ich möchte Sie ansehen – was für wunderbare, wirklich wunderbare Menschen!«
    Ich sah, dass Lady Montdore außerordentlich erfreut war. Sie strahlte vor Vergnügen. Lord Montdore warf ihr einen hastigen Blick zu, um festzustellen, wie sie die Sache aufnahm, und als er sah, dass Strahlen angesagt war, strahlte auch er.
    »Willkommen in Hampton«, sagte sie.
    »Diese Pracht«, fuhr Cedric fort und schwebte in die Höhe. »Ich kann nur sagen, sie macht mich trunken. England – so viel schöner, als ich es mir vorgestellt hatte (ich habe nie sonderlich Gutes über England gehört), dieses Haus – so romantisch, ein Haus voller Schätze – und vor allem Sie – die beiden prachtvollsten Menschen, die ich je sah!«
    Er sprach in einem seltsamen, ihm eigentümlichen Akzent, weder französisch noch kanadisch, und betonte jede Silbe etwas stärker als der gewöhnliche Engländer. Auch sprach er gleichsam hinter seinem Lächeln hervor, das währenddessen ein wenig verblasste, aber nie ganz aus seinem Gesicht wich und nachher gleich wieder erstrahlte.
    »Wollen Sie nicht Ihre Brille abnehmen?«, fragte Lady Montdore. »Ich würde gern Ihre Augen sehen.«
    »Später, liebe Lady Montdore, später. Wenn diese furchtbare, lähmende Schüchternheit (eine Krankheit von mir) ganz verflogen ist. Die Brille schenkt mir Selbstvertrauen, wenn ich furchtbar nervös bin, verstehen Sie, genau wie eine Maske. Mit einer Maske kann man jede Situation bestehen – ich fände es schön, wenn mein Leben ein einziger, immerwährender bal masqué wäre, Lady Montdore, finden Sie nicht auch? Für mein Leben gern würde ich wissen, wer der Mann mit der eisernen Maske war, Sie nicht, Lord Montdore? Erinnern Sie sich an die Szene, als Ludwig XVIII. nach der Restauration zum ersten Mal der Herzogin von Angoulême begegnete? Bevor er etwas anderes sagte – war das alles nicht schrecklich?, oder dergleichen –, fragte er, ob der arme Ludwig XVI. ihr je verraten habe, wer der Mann mit der eisernen Maske war. Ich liebe Ludwig XVIII. dafür – Man hätte es selbst genauso gemacht.«
    Lady Montdore deutete auf mich. »Das ist unsere Cousine – und eine entfernte Verwandte von Ihnen, Cedric – Fanny Wincham.«
    Er nahm meine Hand, sah mir lange in die Augen und sagte: »Ich bin entzückt, Sie kennenzulernen«, als wäre er es wirklich. Dann wandte er sich wieder den Montdores zu und verkündete: »Ich bin froh, hier zu sein.«
    »Mein lieber Junge, auch wir sind froh, Sie bei uns zu haben. Sie hätten längst schon einmal kommen sollen – wir hatten ja keine Ahnung, wir dachten, Sie lebten in Neuschottland, verstehen Sie.«
    Cedric betrachtete gerade den großen französischen Kartentisch. »Riesener«, sagte er, »höchst merkwürdig, Lady Montdore, und Sie werden es mir kaum glauben, aber in Frankreich, dort, wo ich lebe, haben wir das Gegenstück dazu – ist das nicht ein seltsamer Zufall? Noch heute morgen, in Chèvres, habe ich mich auf ebendiesen Tisch gestützt.«
    »Was ist Chèvres?«
    »Chèvres-Fontaine, wo ich lebe, im Departement Seine-et-Oise.«
    »Aber es muss ein ziemlich großes Haus sein«, sagte Lady Montdore, »wenn dieser Tisch darin steht?«
    »Etwas größer als der Mitteltrakt von Versailles, in jeder Dimension, und mit sehr viel mehr Wasser. In Versailles gibt es nur noch siebenhundert bouches . (Wie sagt man zu bouche auf Englisch? Fontänen?). In Chèvres haben wir eintausendfünfhundert, und sie sprühen die ganze Zeit.«
    Das Dinner wurde angekündigt. Auf dem Weg ins Speisezimmer blieb Cedric immer wieder stehen, um dies oder jenes in Augenschein zu nehmen, strich liebevoll über verschiedene Gegenstände und murmelte: »Weisweiller – Boulle – Caffieri – Jacob. Wie kommen Sie zu diesen wundervollen Sachen, Lord

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