Liebe unter kaltem Himmel
Montdore? Derart bedeutende Stücke!«
»Mein Urgroßvater (Ihr Ururgroßvater), der selbst halb Franzose war, hat sie sein Leben lang gesammelt. Manche hat er bei den Verkäufen des königlichen Mobiliars nach der Revolution erstanden, und manches stammt aus dem Besitz der Familie seiner Mutter, der Montdores.«
»Und diese Boiserien!«, sagte Cedric. »Erstklassiges Louis-quinze. In Chèvres findet sich nichts Vergleichbares, sie sind wie Geschmeide, wenn sie so fein gearbeitet sind.«
Wir waren in dem kleinen Speisezimmer angelangt.
»Dies hat er ebenfalls herübergebracht und das Haus darum gebaut.« Lord Montdore war offenbar höchst erfreut über Cedrics Begeisterung, er liebte französisches Mobiliar sehr, begegnete in England aber nur selten jemandem, der seine Vorliebe teilte.
»Porzellan mit dem Monogramm von Marie-Antoinette, wie entzückend. In Chèvres haben wir das Meißener Service, das sie aus Wien mitbrachte. Wir haben in Chèvres viele Andenken an die arme Marie-Antoinette.«
»Wer lebt dort?«, fragte Lady Montdore.
»Ich«, erwiderte er unbekümmert, »wenn ich mich auf dem Land aufhalte. In Paris verfüge ich über eine wunderschöne Wohnung, ganz wie Man sich den Himmel vorstellt.« Cedric benutzte das Wörtchen »man« sehr häufig und sprach es mit einer eigenartigen Betonung aus. Auch Lady Montdore war immer eine große Anhängerin des Wörtchens »man« gewesen, aber sie sprach es dennoch ganz anders aus. »Die erste Etage des Hotels Pomponne – wenn Ihnen das etwas sagt? Reinstes Louis-quatorze. Winzig, wissen Sie, aber genau das, was man braucht, ein Schlafzimmer und ein Ballsaal, der ebenfalls als Schlafzimmer dienen kann. Sie müssen mich dort einmal besuchen, liebe Lady Montdore, sie bekommen dann mein Schlafzimmer – es ist sehr komfortabel –, und ich schlafe im Ballsaal. Versprechen Sie mir, dass Sie kommen!«
»Wir werden sehen. Mir persönlich waren die Franzosen nie besonders sympathisch, sie sind so leichtfertig, da sind mir die Deutschen doch viel lieber.«
»Die Deutschen!«, sagte Cedric in ernstem Ton, lehnte sich über den Tisch und starrte sie durch seine Sonnenbrille an. »Über die Leichtfertigkeit der Deutschen erschrickt Man sogar. Ich habe in Paris die Bekanntschaft einer deutschen Person gemacht, und ein leichtfertigeres Geschöpf, Lady Montdore, gibt es nicht. Die Leichtfertigkeit dieser Person hat mir schon manchen Kummer bereitet, das kann ich Ihnen versichern.«
»Ich hoffe, Sie werden hier in England ein paar passende Bekanntschaften machen, Cedric.«
»Ja, ja, das hoffe ich auch. Aber meine wichtigste englische Bekanntschaft sollen bitte Sie sein, Lady Montdore, ja?«
»Ich finde, wir sollten uns duzen, sagen Sie doch einfach Tante Sonia und Onkel Montdore zu uns.«
»Darf ich wirklich? Wie reizend ihr zu mir seid, wie froh ich bin, hier zu sein – es kommt mir so vor, als würdest du um dich herum nur Freude verbreiten, Tante Sonia.«
»Ja, das tue ich. Ich lebe für andere, daran liegt es wohl. Traurig ist nur, dass nicht alle Leute dies zu würdigen wissen, sie sind so selbstsüchtig.«
»Selbstsüchtig – das darf man wohl behaupten. Auch ich bin mein Leben lang das Opfer von anderer Leute Selbstsucht gewesen. Der deutsche Freund, von dem ich eben sprach – seine Selbstsucht übersteigt jedes Verständnis. Wie man da leidet!«
»Also ein Er , ja?« Lady Montdore schien darüber erfreut.
»Ein Junge namens Klugg. Hoffentlich vergesse ich ihn, während ich hier bin. Aber, Lady Montdore – liebste Tante Sonia –, ich möchte, dass du mir nach dem Dinner einen ganz großen Gefallen tust. Du musst deinen Schmuck anlegen, ich möchte dich in ihm erstrahlen sehen? Ich sehne mich so danach.«
»Mein lieber Junge, der Schmuck ist unten in der Stahlkammer. Ich glaube, die Stücke sind seit ewigen Zeiten nicht geputzt worden.«
»Oh, bitte, sag nicht Nein, schüttele nicht den Kopf! Seit dem Augenblick, da ich dich zum ersten Mal sah, denke ich an nichts anderes, du musst wahrhaft großartig in ihnen aussehen. Mrs Wincham (Sie sind doch eine ›Mistress‹, hoffe ich?, doch, ja, ich sehe Ihnen an, dass Sie keine ›Miss‹ sind), wann haben Sie Tante Sonia zum letzten Mal in Juwelen gesehen?«
»Bei dem Ball für …« Ich brach ab und verschluckte den Namen, der jetzt nie mehr erwähnt wurde. Aber Cedric rettete mich aus der Verlegenheit, indem er rief: »Ein Ball! Tante Sonia, wie gern würde ich dich auf einem Ball sehen, ich kann mir
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