Liebe unter kaltem Himmel
ich glaube, es gab noch einen anderen Grund – sie wollte Cedric ganz für sich allein.
In der Grafschaft jedoch summte und tuschelte es, und es gab nur ein Thema: Cedric. Ich brauche kaum zu erwähnen, dass Onkel Matthew mit einem einzigen Blick erkannte, dass das Wort »Gulli« veraltet und unbrauchbar geworden war. Das Grollen und Knurren, das Funkeln der Augen und das Knirschen der Zähne, das bisher im Wesentlichen Boy Dougdale gegolten hatte, nahmen bei dem bloßen Gedanken an Cedric um das Hundertfache an Heftigkeit zu und waren von einem Anschwellen der Blutgefäße und verschiedenen apoplektischen Lauten begleitet. Aus den Schubladen in Alconleigh waren die vergilbten Zettel mit den Namen derer, die meinem Onkel verhasst waren, entfernt worden, und jede enthielt jetzt einen neuen weißen Zettel, auf dem mit schwarzer Tinte in sauberer Druckschrift ein einziger Name stand: Cedric Hampton. Eines Tages kam es zu einer grässlichen Szene auf dem Bahnsteig in Oxford. Cedric trat an den Zeitungskiosk, um sich die Vogue zu kaufen, weil er sein abonniertes Exemplar verlegt hatte. Onkel Matthew, der gerade auf einen Zug wartete, bemerkte, dass die Säume von Cedrics Jacke in kontrastierenden Farben paspeliert waren, und verlor die Selbstbeherrschung. Er stürzte sich auf Cedric und schüttelte ihn wie eine Ratte; zum Glück fuhr in diesem Augenblick der Zug ein, woraufhin mein Onkel, der sehr unter Eisenbahnfieber litt, von Cedric abließ und schleunigst einstieg. »Man sollte nicht meinen«, sagte Cedric später, »dass es so gefährlich sein kann, das Vogue Magazine zu kaufen. Aber es war die Sache wert, herrliche Frühjahrsmoden.«
Die Kinder jedoch liebten Cedric und waren wütend, weil ich nicht erlaubte, dass sie in meinem Haus mit ihm zusammentrafen, aber Tante Sadie, die selten Strenge zeigte, hatte mir das feierliche Versprechen abgenommen, sie von ihm fernzuhalten, und ihr Wunsch war mir Gesetz. Von der Höhe meiner Weltklugheit als Ehefrau und Mutter herab betrachtete auch ich Cedric nicht als geeignete Gesellschaft für die Jugend, und wenn ich wusste, dass er zu Besuch kommen würde, verscheuchte ich rechtzeitig alle, die in meinem Wohnzimmer saßen und noch nicht die Reifeprüfung hatten.
Onkel Matthew und seine Nachbarn waren selten einer Meinung. Er verachtete ihre Ansichten. Sie wiederum fanden seine stürmischen Sympathien und Antipathien völlig unverständlich und orientierten sich in der Regel an den ausgewogeneren Boreleys. Was Cedric anging, waren sich jedoch alle einig. Die Boreleys waren zwar keine Hasser von Onkel Matthews Format, aber auch sie hatten ihre Vorurteile, Dinge, die sie »nicht ausstehen« konnten, Ausländer zum Beispiel, gut gekleidete Frauen und die Labour Party. Aber was sie auf dieser Welt am allerwenigsten ausstehen konnten, waren »Ästheten – Sie wissen schon – diese fürchterlich weibischen Geschöpfe – Bubis«. Und als Lady Montdore, die sie ebenfalls nicht ausstehen konnten, den fürchterlich weibischen Bubi Cedric in Hampton installierte und ihnen langsam klar wurde, dass er nun für immer ihr Nachbar sein würde, und obendrein ein sehr bedeutender, nämlich der künftige Lord Montdore, da keimte echter Hass in ihren Seelen. Gleichzeitig entwickelten sie ein krankhaftes Interesse an allen Einzelheiten des Geschehens, und diese Einzelheiten lieferte ihnen Norma, die ihre Informationen, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, von mir bekam. Es reizte mich so sehr, wenn Norma nach Luft schnappte oder vor Entsetzen die Augen aufriss, dass ich ihr nichts vorenthielt, was die Boreleys ärgern oder wütend machen konnte.
Wie ich bald herausfand, ärgerten sie sich am meisten über das strahlende Glück von Lady Montdore. Pollys Hochzeit hatte alle Welt entzückt, und selbst die Leute, von denen man hätte erwarten können, dass sie entschieden für Lady Montdore Partei ergreifen würden, die Eltern hübscher junger Töchter zum Beispiel, hatten mit blasierter Zufriedenheit erklärt: »Geschieht ihr recht.« Sie hassten sie und beobachteten mit Freuden ihren Absturz. Diese boshafte Frau hatte sie nie zu ihren Partys eingeladen, und nun würden die wenigen Tage, die ihr noch blieben, von einem Kummer überschattet, der ihren grauen Haaren gewiss den Rest geben und sie ins Grab bringen würde. Der Vorhang öffnet sich zum letzten Akt, sämtliche Sperrsitze sind von Boreleys besetzt, und voller Spannung erwarten sie Todeskampf, Hinschied, gedämpfte Trommelschläge,
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