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Liebe

Titel: Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Precht
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Traumhochzeit. Szene für Szene suchen die Barbie-Drehbücher für Kinder und infantil gebliebene Erwachsene das stets größtmögliche Liebesklischee. Die abgegriffenen Muster, die das Fernsehen produziert, bilden die Vorlagen, auf der Medienmenschen im Fernsehen ihre Gefühle zelebrieren: die Kopie der Kopie als Kopie. Das Thema heißt: authentische Romantik. Und keiner lacht.
    Die Vermittlung von Intimität im Fernsehen ist so selbstverständlich, dass sie, wie Christian Schuldt schreibt, sogar einen »Bildungsauftrag« erfüllt. Brächten Videoclips, Talk- und Kuppelshows, Werbung und Daily Soaps nicht jeden Tag aktuelle Liebesvorstellungen und -verhaltensmuster unters Volk, so wüssten viele Menschen vermutlich gar nicht, was genau sie in Bett und Beziehung machen sollen. Statt mehr Authentizität herrschte mehr Konfusion, die Erwartungen wären schlechter aufeinander abgestimmt.
    Die Massenmedien stabilisieren unser Erwartungsspiel und provozieren es zugleich. Denn die Kehrseite der Vorformulierung unserer Erwartungen ist die Überforderung. Je mehr wir über das Sexual- und Seelenleben anderer erfahren, umso breiter ist die Vergleichsmöglichkeit. Die Frage ist nur – mit was? Das Kopulationsverhalten von Pornodarstellern hat mit normalem Sex so viel zu tun wie Donald Duck mit einer Stockente. Und die Vorstellung von einem normalen Liebesleben, die wir in Daily
Soaps ablauschen, ist nicht minder realitätsfern. Umzingelt von falschen Vorlagen haben wir also hinreichend Möglichkeiten, uns schwer unter Druck zu setzen. Liebe wie im richtigen Fernsehen ist ebenso selten wie das millionenfach multiplizierte mediale Sex- und Familienleben.
    Wer sich an den Vorlagen der Massenmedien orientiert, bedroht sich selbst unausgesetzt mit Überforderungen. Und während die Liebesroman-Leserin des 18. und 19. Jahrhunderts selbst dann ausharren musste, wenn das romantische Soll in ihrer Ehe nicht erfüllt war, können wir heute gehen – selbst Sarah Connor ist heute nicht mehr crazy in love, sondern nur noch crazy. Zum Trennen braucht es nicht viel, und sei es auch nur, dass es in unserer Beziehung an Geld mangelt, um gemeinsam Liebesstreifen nachzudrehen: die Baccardi-Reklame in der Südsee oder die geteilte Zigarette über den abendroten Dächern von Paris. Der Zauber des »arm und trotzdem romantisch« hat keine lange Dauer; selbst Aschenputtel wird reich. Aber wer weiß, ob der allmähliche Niedergang unserer romantischen Mittelschicht nicht auch hier neue Vorlagen schafft: Erotik am Baggerloch, der geteilte Schokoriegel am Gummifeuer unter der Köhlbrand-Brücke oder die »Traumhochzeit« aus der Hartz-IV-Halle in Bitterfeld. Kreativität ist gefragt. Michael Hirte, Deutschlands Supertalent 2008, weist uns den Weg.

Oversexed und upgefuckt
    Was sie gewollt hätte, sagte Uschi Obermaier 2008 zum Jubiläum der 68er-Bewegung dem STERN, das sei eine Gesellschaft aus Sex und Rock’n’Roll. Heute, 40 Jahre später, ist diese Utopie gnadenlos Wahrheit geworden. Womit das Jahr 1968 die Länder des Westens tatsächlich verändert hat, ist die Allgegenwart des Ästhetischen und des Sexuellen. Die Bedeutung, die der
Attraktivität von Frauen und Männern beigemessen wird, war noch nie so hoch wie heute. Modezeitschriften, Fernsehen und Werbung schüren einen Attraktivitätskult, der einzigartig ist in der Kulturgeschichte der Menschheit. Auf den Covern der Magazine lauern Tausende von retuschierten Gesichtern auf begierige Käufer. Und die Revolution, die dies in unseren Gehirnen auslöst, ist bisher kaum beschrieben. Hatte ein Steinzeitmensch vielleicht gerade die Auswahl aus zehn oder 20 Frauen oder Männern, um seinen Sinn für Attraktivität zu schulen, so sind es heute zumindest potentiell Millionen.
    Jeder Mensch will schön sein. Anders als in früheren Kulturen aber hat er nicht nur den Wunsch, er wird auch permanent an diesem Kriterium gemessen. Aus dem Wunsch ist ein Zwang geworden, eine internationale Konkurrenz realer und fiktiver Gesichter um die größtmögliche Attraktion. Mag sich die Zahl der Menschen, die mithilfe von Mode und Kosmetik als attraktiv bewertet werden, vielleicht vergrößert haben; die Zahl derjenigen, die sich selbst als hässlich empfinden, dürfte allerdings umgekehrt ebenfalls nie höher gewesen sein. Frauen über 40, die in der Blüte ihres Lebens stehen, sind für die Werbung steinalt. Und keine Hochglanzmagazingeschichte über Liebe und Sexualität zeigt dicke Männer und Frauen mit

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