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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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»Wir brauchen das Taxi sofort.«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte sie. »Aber ich kann Ihnen nichts versprechen.«
    »Danke«, sagte ich und legte auf, vergewisserte mich, dass ich meine Kreditkarte in der Innentasche der Jacke hatte, schloss die Tür ab und ging mit Linda in den Hausflur. Auf dem Weg nach unten schaute sie mich kein einziges Mal an.
    Draußen schneite es immer noch.
    »Kommt es sofort?«, sagte Linda, als wir auf dem Bürgersteig standen.
    Ich nickte.
    »So schnell es geht, haben sie gesagt.«
    Obwohl viel Verkehr war, sah ich das Taxi schon von weitem näher kommen. Es fuhr schnell. Ich winkte, und es hielt direkt vor uns am Straßenrand. Ich beugte mich vor und öffnete die Tür, ließ Linda zuerst einsteigen und setzte mich nach ihr hinein.
    Der Fahrer drehte sich um.
    »Haben wir es eilig?«, sagte er.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken«, antwortete ich, »aber wir wollen nach Danderyd.«
    Er fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr abwärts Richtung Birger Jarlsgatan. Wir saßen schweigend auf der Rückbank. Ich nahm ihre Hand in meine. Zum Glück ließ sie es zu. Das Licht der Straßenlaternen über der Autobahn glitt wie Striemen durch den Wagen. Im Radio lief »I won’t let the sun go down on you«.
    »Hab keine Angst«, sagte ich. »Es ist alles, wie es sein soll.«
    Sie antwortete nicht. Wir fuhren eine sanfte Steigung hinauf. Zwischen den Bäumen standen an beiden Straßenseiten Einfamilienhäuser. Die Dächer weiß von Schnee, die Eingänge gelb von Licht. Das eine oder andere Snowboard, das eine oder andere dunkle, teure Auto. Dann bogen wir rechts ab und fuhren unter der Straße hindurch, der wir gerade noch gefolgt waren, und auf das Krankenhaus zu, das durch die vielen hell erleuchteten Fenster aussah wie eine riesige Schachtel voller Luken. Rund um die Gebäude lagen Schneeberge aufgetürmt.
    »Wissen Sie, wo es ist?«, sagte ich. »Die Entbindungsstation, meine ich?«
    Er nickte vor uns, bog links ab und deutete auf ein Schild mit der Aufschrift »BB Stockholm«.
    »Da müssen Sie rein«, sagte er.
    Als wir dort ankamen, stand vor dem Eingang bereits ein zweites Taxi mit laufendem Motor. Unser Fahrer hielt hinter diesem, und ich reichte ihm meine Visa-Karte und stieg aus, nahm Lindas Hand und half ihr auf die Beine, während ein anderes Paar hineinging, er einen Kindersitz und eine dicke Tasche tragend.
    Ich unterschrieb den Beleg, legte die Quittung zusammen mit der Karte in die Innentasche und betrat hinter Linda das Gebäude.
    Das andere Paar stand wartend vor dem Aufzug. Wir stellten uns einen Meter hinter sie. Ich strich Linda über den Rücken. Sie weinte.
    »So hatte ich mir das nicht vorgestellt«, sagte sie.
    »Es ist alles in Ordnung.«
    Der Aufzug kam, und wir folgten dem anderen Paar hinein. Plötzlich krümmte sich die Frau und umklammerte den Handlauf unter dem Spiegel. Er hatte beide Hände voll und sah zu Boden.
    Als wir oben ankamen, klingelte sie. Die Krankenschwester, die daraufhin kam, wechselte erst ein paar Worte mit den beiden und sagte uns, dass sie jemanden vorbeischicken werde, ehe sie das Paar den Gang hinunterführte.
    Linda setzte sich auf einen Stuhl. Ich blieb stehen und blickte den Flur hinab. Das Licht war gedämpft. Vor jedem Zimmer hing an der Decke eine Art Schild. Einige von ihnen leuchteten rot. Wenn ein neues Schild anging, ertönte jedes Mal ein Signal, auch dies gedämpft, aber mit einem unverkennbaren Anstaltsklang. Ab und zu tauchte auf dem Weg von einem Zimmer in ein anderes eine Schwester auf. Am hinteren Ende ging ein Vater und wiegte ein Bündel in den Händen. Er schien zu singen.
    »Warum hast du nicht gesagt, dass es dringend ist?«, sagte Linda. »Ich kann hier nicht sitzen bleiben!«
    Ich antwortete nicht.
    Ich war vollkommen leer.
    Sie stand auf.
    »Ich gehe rein«, sagte sie.
    »Nun warte doch noch ein bisschen«, sagte ich. »Die wissen schon, dass wir hier sind.«
    Der Versuch, sie aufzuhalten, war zwecklos, so dass ich ihr folgte, als sie den Gang hinunterging.
    Eine Schwester blieb vor uns stehen.
    »Wird Ihnen schon geholfen?«, sagte sie.
    »Nein«, sagte Linda. »Eigentlich sollte jemand kommen, aber bis jetzt ist keiner bei uns gewesen.«
    Die Frau sah Linda über ihre Brille hinweg an.
    »Ich habe den ganzen Tag noch keine einzige Bewegung gespürt«, sagte Linda. »Nichts.«
    »Und jetzt machen Sie sich Sorgen!«, meinte die Schwester.
    Linda nickte.
    Die Schwester wandte sich um und blickte den Gang

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