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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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konfrontiert wird, und sie hört ein rohes Lachen und begreift, dass etwas Beschämendes passiert ist, weiß aber nicht, was es ist. Sie weiß es nicht! Sie schlägt die Flügel um sich zusammen. Und damit sind wir wieder bei dem Bild von Caravaggio, du weißt schon, Die Falschspieler, der eine, der von den anderen nach Strich und Faden reingelegt wird. Das bist du. Das ist auch Unschuld. Und in dieser Unschuld, die in deinem Fall zudem in der Vergangenheit liegt, diese Dreizehnjährige, über die du in Jenseits der Welt geschrieben hast, und diese geisteskranke Nostalgiesehnsucht, die du nach den siebziger Jahren hast … Linda hat auch ein bisschen davon. Wie wurde sie noch beschrieben, als eine Mischung aus Madame Bovary und Kaspar Hauser?«
    »Ja.«
    »Kaspar Hauser steht natürlich für das unbeschriebene Blatt. Nun bin ich natürlich nie deiner früheren Frau Tonje
begegnet, aber ich habe Bilder von ihr gesehen, und obwohl sie Linda nicht ähnlich sieht, war an ihr, an ihrem Aussehen etwas Unschuldiges. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt, dass sie unschuldig ist, aber sie strahlt das aus. Das Unschuldige ist charakteristisch für dich. Mich interessieren Reinheit und Unschuld nicht. Dir sind sie dagegen anzumerken. Du bist ein zutiefst moralisch denkender und zutiefst unschuldiger Mensch. Was ist Unschuld? Es ist das, was von der Welt unberührt ist, was unzerstört ist, es ist gleichsam das Wasser, in das niemals ein Stein geworfen wurde. Es geht nicht darum, dass du keine Lust hast, dass du nicht begehrst, denn das tust du natürlich, es geht nur darum, dass du dir die Unschuld bewahrst. Deine irrsinnig große Sehnsucht nach Schönheit spielt hier auch eine Rolle. Es war ja kein Zufall, dass du ausgerechnet über Engel schreiben wolltest. Immerhin sind sie das Reinste. Etwas Reineres gibt es nicht.«
    »Aber in meinem Buch ist das anders. In dem geht es um ihre körperliche, physische Seite.«
    »Ja, aber sie sind trotzdem ein Symbol für Reinheit. Und für den Fall. Du hast sie vermenschlicht, hast sie fallen lassen, nicht in die Sünde, sondern ins Menschliche.«
    »Wenn man es so abstrakt betrachtet, hast du in gewisser Weise Recht. Die Dreizehnjährige, das war die Unschuld, aber was passierte mit ihr? Sie sollte körperlich gemacht werden.«
    »So kann man es natürlich auch ausdrücken!«
    »Ja, schon gut. Dann von mir aus, das Mädchen sollte gevögelt werden. Und die Engel sollten Menschen werden. Also gibt es einen Zusammenhang. Aber das spielt sich doch im Unterbewusstsein ab. In der Tiefe. In diesem Sinne stimmt es eben nicht. Mag sein, dass ich dorthin tendiere, aber davon weiß ich selber ja nichts. Erst als ich den Klappentext las, wusste ich, dass ich ein Buch über Scham geschrieben hatte.
Und an das mit der Unschuld und der Dreizehnjährigen habe ich erst viel später gedacht.«
    »Aber so ist es doch angelegt. Ganz klar und eindeutig.«
    »Sicher. Aber für mich selbst verborgen. Und dabei fällt mir ein, dass du etwas vergisst. Die Unschuld ist mit der Dummheit verwandt. Im Grunde sprichst du über Dummheit, nicht? Über das Unwissende?«
    »Nein, weit gefehlt«, antwortete Geir. »Das Unschuldige und Reine ist zu einem Symbol für Dummheit geworden, aber das trifft nur für unsere Zeit zu. Wir leben in einer Kultur, in der gewinnt, wer die meiste Erfahrung hat. Das ist total krank. Jeder weiß, welchen Weg die Moderne nimmt, du erschaffst eine Form, indem du eine Form aufbrichst, in einer endlosen Regression, es soll einfach immer weitergehen, und solange es so aussieht, wird die Erfahrung die Oberhand behalten. Das Einzigartige an unserer Zeit, die reine oder selbständige Handlung, besteht darin zu verzichten, nicht anzunehmen. Annehmen ist leicht, führt aber zu nichts. Dort irgendwo sehe ich dich. Also fast als einen Heiligen.«
    Ich grinste. Die Kellnerin brachte unsere Biere.
    »Na dann, Prost«, sagte ich.
    »Prost«, sagte er.
    Ich trank einen großen Schluck, wischte mir mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen und stellte das Bier vor mich auf den Deckel. Die helle, goldene Farbe hatte in meinem Empfinden etwas Ermunterndes. Ich sah Geir an.
    »Als einen Heiligen?«, sagte ich.
    »Ja. Ich will damit sagen, dass die Heiligen im katholischen Glauben, deiner Art zu glauben und zu denken und zu handeln, nahe gestanden haben könnten.«
    »Gehst du jetzt nicht ein bisschen zu weit?«
    »Nein, ganz und gar nicht. In meinen Augen ist das, was du da tust, eine

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