Lieben: Roman (German Edition)
Kinder häufig tat, hätte er seinen Blick, wenn nötig, eine Woche beibehalten. Dazu wäre ich zwar auch in der Lage, aber früher oder später hätte ich gedacht, dass dies unnötig war, und den Blick gesenkt. Dieser Gedanke wäre ihm niemals in den Sinn gekommen.
»Und«, sagte ich. »Wie ist dein Tag gewesen?«
»Ich habe über die Grenzsituation geschrieben. Ganz konkret über Stockholm im 18. Jahrhundert. Wie groß die Sterblichkeit und wie kurz die Lebensspanne der Menschen war und welche Konsequenzen das für das Leben hatte, das sie verglichen mit unserem führten. Dann kam Cecilia in mein Büro und wollte reden. Wir gingen zusammen essen. Sie war gestern mit ihrem Lebensgefährten und dessen Freund aus gewesen. Sie hatte den ganzen Abend mit dem Freund geflirtet, erzählte sie, und als sie nach Hause kamen, war ihr Mann deshalb natürlich außer sich gewesen.«
»Wie lange sind sie schon zusammen?«
»Sechs Jahre.«
»Hat sie vor, ihn zu verlassen?«
»Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, sie will ein Kind mit ihm bekommen.«
»Warum hat sie dann geflirtet?«, sagte ich.
Geir sah mich an.
»Weil sie natürlich beides will.«
»Was hast du ihr gesagt? Denn sie ist doch bestimmt zu dir gekommen, um dich um Rat zu fragen?«
»Ich sagte, sie müsse es abstreiten. Einfach alles abstreiten.
Sie hat nicht geflirtet, ist nur freundlich gewesen. Sag nein, nein, nein. Und dann sei beim nächsten Mal nicht so verdammt dumm und warte ab, bis sich eine Gelegenheit ergibt, und geh die Sache ruhig und wohlüberlegt an. Ich mache ihr keine Vorwürfe wegen dem, was sie getan hat, sondern weil sie so rücksichtslos gewesen ist. Sie hat ihn verletzt. Das war nicht nötig.«
»Sie muss gewusst haben, dass du das sagen würdest. Sonst wäre sie nicht zu dir gekommen.«
»Das glaube ich auch. Wäre sie dagegen zu dir gekommen, hätte sie den Rat erhalten, alles zu gestehen, auf die Knie zu fallen und um Vergebung zu bitten und sich danach an ihren rechtmäßigen Mann zu halten.«
»Ja, entweder das oder ihn zu verlassen.«
»Am Schlimmsten finde ich, dass du das ernst meinst.«
»Natürlich meine ich das ernst«, sagte ich. »Das Jahr, nachdem ich Tonje betrogen hatte, ohne ihr etwas davon zu sagen, war das schlimmste Jahr meines Lebens. Es herrschte völlige Finsternis. Eine einzige lange, verdammte Nacht. Ich dachte die ganze Zeit daran. Zuckte jedes Mal zusammen, wenn das Telefon klingelte. Wurde im Fernsehen das Wort Untreue erwähnt, lief ich rot an. Ich glühte. Wenn wir uns Filme ausliehen, achtete ich sorgsam darauf, alles zu vermeiden, was mit dem Thema zu tun haben könnte, denn ich wusste, dass es ihr früher oder später auffallen würde, wie ich mich wand wie ein Wurm, sobald das Thema auftauchte. Und dass ich so etwas getan hatte, zerstörte auch alles andere in meinem Leben, ich konnte nichts aufrichtig sagen, alles wurde zu Lüge und Verstellung. Es war ein Alptraum.«
»Würdest du es jetzt sagen?«
»Ja.«
»Was ist mit der Sache, die auf Gotland passiert ist?«
»Das war keine Untreue.«
»Aber es quält dich trotzdem?«
»Ja, das tut es.«
»Cecilia war nicht untreu. Warum soll sie ihrem Mann erzählen, was sie vorhat?«
»Darum geht es nicht. Es geht um die Absicht. Solange sie da ist, muss man die Konsequenzen daraus ziehen.«
»Wie steht es mit deinen Absichten auf Gotland?«
»Ich war betrunken. So etwas hätte ich nüchtern niemals getan.«
»Aber hättest du es gedacht?«
»Vielleicht. Aber das ist ein großer Sprung.«
»Tony ist ja, wie du weißt, katholisch. Sein Pfarrer hat einmal gesagt, und das ging mir nicht mehr aus dem Kopf, zu sündigen heiße, sich in eine Position zu begeben, in der die Sünde möglich werde. Sich zu betrinken, wenn du weißt, welche Gedanken sich in deinem Kopf bewegen, und welchen Druck du in dir spürst, bedeutet, sich in eine solche Position zu begeben.«
»Sicher. Aber bevor ich anfing zu trinken, dachte ich, ich wäre vollkommen sicher.«
»Ha ha ha!«
»Das ist wahr.«
»Aber Karl Ove. Was du getan hast, war ja nichts. Eine Lappalie. Dafür hat doch jeder Verständnis. Jeder. Was hast du denn schon getan? An eine Tür geklopft?«
»Ja, eine halbe Stunde lang. Mitten in der Nacht.«
»Aber du bist nicht reingekommen?«
»Nein, nein. Sie öffnete die Tür, gab mir eine Flasche Wasser und machte sie wieder zu.«
»Ha ha ha! Und deswegen hast du zitternd dagesessen, als ich dich getroffen habe. Du sahst aus, als hättest du jemanden
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