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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Erinnerungen war, weckte sie diesmal nichts in mir, möglicherweise, weil es erst zwei Jahre her war, dass ich dort gewesen war, vielleicht auch, weil ich weiter von ihr entfernt war als je zuvor. Ich ging die Gangway hinunter und hatte den Topdalsfjord glitzernd im Licht der Februarsonne zu meiner Linken und Ryensletta zur Rechten, wo Jan Vidar und ich uns einmal an Silvester durch ein Schneegestöber bergab geschleppt hatten.
    Ich ging ins Flughafengebäude, am Rollband der Gepäckausgabe vorbei und zum Kiosk, wo ich mir eine Tasse Kaffee kaufte, die ich mit nach draußen nahm. Ich zündete mir eine Zigarette an, betrachtete die Menschen, die nach und nach Richtung Flughafenbus und Taxistand gingen und hörte überall den südnorwegischen Dialekt, der mich mit solcher Ambivalenz erfüllte. Hier gehörte er dazu, markierte die kulturelle und geografische Zugehörigkeit, und das Selbstgefällige, das ich stets in ihm gehört hatte, wahrscheinlich von mir hineininterpretiert, hörte ich immer noch und so deutlich, weil ich selbst nicht hierher gehörte und es auch nie getan hatte.
    Ein Leben ist einfach zu verstehen, es wird von wenigen Faktoren bestimmt. In meinem waren es zwei. Mein Vater und dass ich nirgendwo zu Hause gewesen war.
    Komplizierter lagen die Dinge nicht. Ein paar Minuten nach zehn. Den ersten Vortrag des Tages sollte ich um eins halten, in der neuen Universität in Agder, so dass ich noch reichlich
Zeit hatte. Den zweiten würde ich in Søgne halten, zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt, um acht Uhr abends. Ich hatte beschlossen, beide ohne Manuskript zu halten. Das hatte ich noch nie gemacht, so dass mich ungefähr alle zehn Minuten unbändige Nervosität und Angst durchfuhr. Weiche Beine hatte ich auch, sowie das Gefühl, dass die Hand, in der ich die Tasse hielt, zitterte. Doch das tat sie nicht, stellte ich fest, drückte die Zigarette auf dem ascheschwarzen Gitter über dem Mülleimer aus und ging durch die automatischen Türen wieder hinein und zum Kiosk, wo ich zwei Zeitungen kaufte, mit denen ich mich auf einen der hohen barhockerartigen Stühle setzte. Zehn Jahre zuvor hatte ich über diesen Raum geschrieben, hierhin fuhr die Hauptfigur in Jenseits der Welt , Henrik Vankel, um in der Schlussszene des Romans Mirjam wiederzutreffen. Als ich das schrieb, hockte ich oben in Volda, wo die Aussicht auf den Fjord, die hin und her fahrenden Fähren, die Lichter auf dem Kai und am Fuß der Berge auf der anderen Seite, nur eine Art Schatten in den Räumen und Landschaften waren, über die ich schrieb, dieses Kristiansand, durch das ich einmal flaniert war und in dem ich mich nun in meinen Gedanken als Wiedergänger bewegte. Obwohl ich mich nicht erinnerte, was die Leute zu mir sagten, mich nicht erinnerte, was geschehen war und wo ich mich aufgehalten hatte, erinnerte ich mich dafür sehr genau, wie es dort ausgesehen hatte und in welche Atmosphäre alles gehüllt gewesen war. Ich erinnerte mich an jeden Raum, in dem ich mich aufgehalten hatte, und an jede Landschaft. Schloss ich die Augen, konnte ich jedes Detail in dem Haus heraufbeschwören, in dem ich aufgewachsen war, genau wie in den Häusern der Nachbarn und in der Landschaft ringsum, jedenfalls in einem Umkreis von einigen Kilometern. Die Schulen, Hallenbäder, Sporthallen, Jugendzentren, Tankstellen, Geschäfte, Häuser meiner Verwandten. Gleiches galt für die Bücher, die
ich damals gelesen hatte. Wovon sie handelten, verschwand nach etwa einer Woche, während die Orte, an denen sie spielten, jahrelang blieben, vielleicht für immer, was wusste ich.
    Ich blätterte in Dagbladet , danach in Aftenposten und Fædrelandsvennen , blieb anschließend sitzen und beobachtete die vorbeigehenden Menschen. Ich hätte die Zeit nutzen sollen, um mich vorzubereiten, denn bis jetzt hatte ich lediglich am Vorabend ein paar alte Texte durchgelesen und die Passagen ausgedruckt, die ich lesen wollte. Auf dem Flug hatte ich zehn Punkte notiert, die ich aufgreifen wollte. Zu mehr hatte ich mich nicht aufraffen können, denn der Gedanke, dass ich einfach nur reden musste, dass nichts leichter war als das, war stark, und es tat mir gut, auf ihn zu hören. Ich sollte über die beiden Bücher sprechen, die ich geschrieben hatte. Das konnte ich nicht, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als darüber zu sprechen, wie sie geschrieben wurden, diese Jahre mit nichts, bevor etwas Bestimmtes Form anzunehmen begann, das langsam, aber sicher die Oberhand gewann,

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