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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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setzte. Rasch beschloss er, dass sich das Risiko nicht lohnte. Vermutlich war alles unbrauchbar. Geron drehte sich um und kehrte zurück. Gerade wollte er nach einem zersplitterten Balken greifen, um sich daran festzuhalten, da geschah es: Geron rutschte aus, prallte gegen ein hartes Hindernis, etwas stürzte um – und er war bewegungsunfähig einklemmt. Er lag bäuchlings auf den mit rußigem Schlamm bedeckten Planken, zum Glück war er nicht zurück ins Wasser gefallen, sonst würde er jetzt ertrinken. Unter starken Verrenkungen gelang es ihm zu erkennen, was geschehen war:
    Seine Beine lagen unter einem Fass begraben, das von irgendetwas eingekeilt wurde und sich darum nicht wegrollen ließ. Mit aller Kraft versuchte Geron, sich zu befreien. In seiner Position konnte er die Arme nicht wirkungsvoll einsetzen, darum versuchte er wenigstens ein Bein freizustrampeln. Als er schweißgebadet und nach Luft japsend aufgeben musste, ließ er den Kopf auf die Arme sinken und schloss die Augen. Was sollte er tun? Um Hilfe rufen war sinnlos. Ninosh könnte ihm nicht einmal helfen, wenn er es wollte.
Nüchtern berechnete Geron seine Aussichten: Bestenfalls blickte er einem schmerzhaften, dafür raschen Tod von den Pranken eines jener Raubtiere entgegen, an die er zuvor gedacht hatte. Oder die Tibba schwoll nach einem weiteren Regenguss so stark an, dass er ertrank. Schlimmstenfalls würde es ein mehrtägiger Todeskampf werden, bis er verdurstete, denn das Wasser befand sich nicht bloß knapp außerhalb seiner Reichweite, sondern war von Abfällen und Ruß ungenießbar.
    Zu erschöpft für Verzweiflung betete er um ein gnädiges Schicksal. Es schadete weiterhin nicht, sich mit Gedanken an höhere Mächte abzulenken …

    Ninosh lauschte intensiv. Er hatte es in dem Schiff poltern und einen lauten Aufschrei gehört. Seitdem war es mäuschenstill und Geron war nicht zurückgekehrt. Viel zu lange war er bereits fort, es musste etwas passiert sein.
    Mit aller Gewalt zwang sich Ninosh bis hundert zu zählen und danach wieder rückwärts auf eins. Er wollte nichts tun, was Gerons Wut auf ihn weiter anstacheln könnte, falls der sich also bloß den Zeh gestoßen haben sollte, müsste er irgendwann herauskommen.
    Wenn er schwer verletzt ist, verspiele ich vielleicht gerade die kurze Zeit, die bliebe, um ihn zu retten …
    Als er zum zweiten Mal bei siebenundvierzig angekommen war, hielt er es nicht mehr aus. Sollte Geron ihn halt verprügeln, wenn alles in Ordnung war, Hauptsache er hatte Gewissheit!
    Ninosh musste sich halb aufgerichtet weit vorbeugen, um seine Hände über den Findling zu ziehen, da mehrere Kanten im Weg waren. Es bekam seinem Körper nicht allzu gut, was ihm herzlich egal war. Er hatte bereits so viele Schmerzen durchgestanden, da lohnte es sich nicht, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Sie würden schließlich auch noch da sein, sobald er Zeit hatte, sich ihnen zu widmen.
    Gerade im Moment war er mit dem Problem beschäftigt, dass er einen Sprung über eine Distanz schaffen musste, die ihm normalerweise nicht einmal ein Stirnrunzeln abgerungen hätte. Wie aber sollte er das mit gefesselten Händen und beinahe vollständiger Bewegungsunfähigkeit bewältigen?
    Hör auf nachzudenken, vergiss jede Rücksicht auf Brüche und Prellungen und spring, ist doch ganz einfach!
    „Ich hoffe für dich und für mich, du steckst wirklich in Schwierigkeiten, Bannerführer“, murmelte er. Niemand würde kommen, um ihn über das Wasser zu tragen, also nahm Ninosh Anlauf, humpelte los, so schnell die unwilligen Knochen und Muskeln es gestatteten, japste bei jedem Schritt, stieß sich am Ufer ab – und landete bäuchlings im reißenden Wasser. Lediglich seine vorgestreckten Arme hatten die Sandbank erreicht. Die Tibba zeigte sich allerdings von einer freundlichen Seite, die Ninosh ihr niemals zugestanden hätte und schob ihn regelrecht auf die Untiefe, statt ihn zu ertränken. Sobald er es an Land geschafft hatte, blieb er eine Weile liegen wo er war, die Füße noch im Fluss hängend. Der Sturz, oder vielmehr die Landung, hatte ihm sämtliche Luft aus den Lungen getrieben. Er war nahezu bewusstlos, fühlte sich dabei allerdings seltsam wohl, da er einige Meilen über dem Boden zu schweben schien. Alles war losgelöst von ihm, sein kaputter Körper keine Last mehr, alle Schmerzen in einem berauschenden Nebel verschwunden. Vielleicht hatte er sich tödlich verletzt und starb gerade? Sollte sterben sich so anfühlen, wollte er auf

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