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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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keinen Fall mehr weiterleben!
    Leider ging der Rausch viel zu schnell vorbei und ließ ihn in der tristen Wirklichkeit zurück.
    Torkelnd kam Ninosh auf die Beine und bewegte sich eher durch Willens- als Muskelkraft auf das Schiff zu. Ein paar verdammte Stockhiebe hatten ihn in ein ebensolches Wrack verwandelt wie das Feuer den zuvor so prächtigen Transporter …
    Am Ziel angekommen musste er erst einmal wieder pausieren, bevor er die Kraft fand, über geborstene Planken zu klettern.
    „Ninosh?“ Gerons matte Stimme brachte Gewissheit, dass sein Schicksalsgefährte lebte und irgendetwas nicht in Ordnung war. Ninoshs Augen brauchten eine Weile, sich an das schwache Licht zu gewöhnen. Dann entdeckte er Geron am Boden liegend, eingeklemmt unter einem großen Fass. Er blickte voller Hoffnung zu ihm auf, da war keine Spur von Wut darüber, dass Ninosh sich seinem Befehl widersetzt hatte.
    „Wie hast du es geschafft herzukommen?“, wisperte Geron.
    Ninosh schüttelte den Kopf, er brauchte seine letzten Energien dafür, ihn zu befreien, reden konnte sie später noch. Oder im nächsten Leben. Er überdachte sämtliche Optionen, wie er das Fass bewegen könnte. Sie alle verlangten jene Art Körpereinsatz, den er nicht leisten konnte, denn seine Arme waren nutzlos. Mit gebrochenen Rippen konnte er nichts Schweres heben, es war schon unglaublich, wie stark ihn diese paar Knochen einschränkten. Auch Werkzeug konnte er nicht benutzen.
    Also zuckte Ninosh im Geiste die Schultern und tat, was ihm möglich war: Er warf sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen das Fass. Es bewegte sich spürbar. In ihm brach etwas mit lautem Knacken. Er hörte Geron schreien, sich selbst brüllen. Dann wusste er nichts mehr.

    Geron schleppte den bewusstlosen jungen Mann ins Freie. Warum Ninosh Leib und Leben riskiert hatte, um ihm zu helfen, blieb ihm ein Rätsel. Genauso, wie er es überhaupt geschafft hatte, zum Schiff zu gelangen. Womöglich hatte er sich weitere Verletzungen zugezogen, statt sich in der Tibba zu ertränken und sein Leid zu beenden! Handelte so ein gewissenloser Mörder?
    Und wenn er gar keiner ist?
    Aber wer gestand einen sechsfachen Mord, den er nicht begangen hatte, wenn er dabei nichts gewinnen konnte? Geron hatte es in Ninoshs Blick gesehen, während dieser seine Geschichte erzählt hatte. Jedes einzelne Wort hatte der Wahrheit entsprochen.
    „Ich begreife dich einfach nicht!“ Behutsam wusch er Ninosh den Schmutz und Schlamm vom Körper, in den er beim Sturz gelandet war. Dabei versank er immer wieder in der Betrachtung des Gesichtes, das ihn vom ersten Moment an fasziniert hatte. Diese seelenvollen Augen, die meist traurig und ernst dreinblickten, diese küssenswerten Lippen, die ihn gerade leicht geöffnet einluden, sich nicht zurückzuhalten …
    Geron musste sich mit Gewalt daran erinnern, dass Baris’ Mörder ein ebenso schönes Gesicht besaß. Es half, sich auf die Wut und Abscheu zu besinnen, die er für Ninosh empfinden wollte. Empfinden musste, um sich nicht in jemanden zu verlieben, der spätestens vom Kriegsgericht für seine Verbrechen zu Tode verurteilt werden würde.
    Er beschloss, dass sie für heute hier blieben. Sie waren beide nicht in der körperlichen Verfassung für weitere Gewaltmärsche. Außerdem hatte er eine Idee, wie er dieses Schiffswrack eventuell dazu benutzen konnte, sie aus der Wildnis herauszuholen.

    Ninosh war bereits seit einer ganzen Weile wach, doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Geron lief beständig hin und her und baute irgendetwas mit vielen Flüchen und Lärm; da wollte er lieber nicht stören. Oder erneut gefesselt werden, wo er gerade endlich einmal genießen durfte, seine Hände frei bewegen zu können. Durch gelegentliches Blinzeln hatte er bereits herausgefunden, dass er sich wieder am Ufer befand. Wie Geron ihn über das Wasser gebracht hatte, blieb wohl dessen Geheimnis.
    Ninosh fuhr zusammen, als sein Gefährte sich plötzlich über ihn beugte. So viel zu dem Plan, sich schlafend zu stellen!
    „Ich muss etwas zu essen suchen, solange es noch hell genug ist“, sagte Geron zögerlich. „Kann ich darauf vertrauen, dass du dich nicht von der Stelle rührst, während ich weg bin? Ich will dich nicht fesseln, wenn es nicht notwendig ist. Du … du hast dich vertrauenswürdig gezeigt. Kann ich mich darauf verlassen?“
    Ninosh nickte stumm, ohne ihn anzusehen. Er überlegte aufzustehen, solange Geron fort war, etwas zu trinken, ein wenig die verspannten

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