Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen
verbietet ihr jeglichen Kontakt zu fremden Artgenossen. Wehe, seine Liebste nähert sich einem anderen Ganter – dann ist Schluss mit lustig. Der Gänserich oder „Gansert“, wie er im Volksmund auch genannt wird, sieht jetzt selbst in seinem Halter einen Kontrahenten und hält ihn auf Distanz, denn es ist seine Gans, sein Brutrevier, sein Stall, und es sind seine zukünftigen Nachkommen, die dort im Nest liegen, und das bringt er auch unmissverständlich zum Ausdruck.
Ein Gänsehalter muss in dieser spannungsgeladenen Zeit viel Verständnis für seinen Ganter aufbringen. Ihm mit Aggressivität oder Gewalt zu begegnen ist niemals eine Lösung, auch wenn der Ganter einem schon ein „Schnabel-Tattoo“ in das eine oder andere Körperteil verpasst hat. Vorausdenken, überlisten und einfach schneller sein als er, das ist der richtige Weg für ein Miteinander während dieser Zeit. Schließlich sind wir Menschen die Klügeren, und der Gänserich ist wieder ganz der Alte, wenn diese Fortpflanzungszeit vorüber ist.
Der Brustfleck zeigt, dass die Familienplanung in Gang ist. (Foto: Marion Bohn-Förder)
Das Nest
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Als Zeichen ihrer Liebe und Verbundenheit beginnen beide Gänse, sich einige Deckfedern im Brustbereich auszurupfen. Dieser sogenannte gegenseitige Brustfleck ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Familienplanung bereits in vollem Gang ist und Frau Gans bald ihr erstes Ei legen wird. Durch das Bereitstellen eines Legenests lassen sich Gänse an den für Eiablage und Brut vorgesehenen Platz lenken. Die Gans wünscht sich für ihr „Kinderbett“ eine ruhige, geschützte Ecke im Stall, wo sie sich sicher und geborgen fühlt. Die Größe eines Brutnestes richtet sich nach der Größe des Bruttiers. Das Nest muss mindestens drei Wochen vor Legebeginn angeboten werden. Sonst verlegen gerade junge Gänse ihre Eier oft im Stall oder auf dem Auslauf. Als Nestumrandung eignet sich ein quadratischer Holzlattenrahmen (unsere sind 80 mal 80 Zentimeter groß, Lattenhöhe: 10 bis 12 Zentimeter). Der Rahmen soll so gebaut sein, dass er an der Vorderseite geöffnet werden kann, damit die Gössel problemlos ihr Nest verlassen und vor allen Dingen auch wieder hineinkönnen. In den Rahmen werden zuerst trockene Rasensoden, mit den Wurzeln nach oben, als schützende Unterlage eingelegt. Diese verhindern, dass die Gans durch ihr Gewicht mit der Zeit das Stroh auseinanderdrückt, die Eier dadurch auf dem harten Boden liegen und womöglich zerdrückt werden. Das eigentliche Nestpolster besteht dann aus reichlich weichem Stroh, worauf eine Lage Heu kommt. Das Nest muss so geformt sein, dass die Eier gut nebeneinanderliegen können, und darf keinesfalls zu klein und trichterförmig sein, sonst rollen die Eier zusammen und werden zerdrückt. Den endgültigen Ausbau nimmt die Gans selbst vor, indem sie das Nest nach ihrem Geschmack herrichtet.
Brutboxen im Gänsestall. (Zeichnung: Susanne Retsch-Amschler)
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Wenn mehrere Gänse brüten, müssen die Nester seitlich voneinander abgetrennt werden, damit sich die Gänsedamen auf ihren Nestern nicht sehen können, sonst ist lautstarker Zickenterror programmiert. Diese „Brutboxen“ werden an einer Stallwand installiert (Maße pro Box: 80 mal 80 Zentimeter). Die Trennwände sollten 1 Meter hoch sein. Obenauf kommt eine leichte Holzplatte als Dach. Die einzelnen Abteile werden vorn mit einem Brett abgetrennt, damit die Gans das Stroh nicht hinauswirft. Nach dem Schlupf wird dieses wieder entfernt, damit die Gössel bequem aus dem Nest hinaus- und wieder hineingelangen können. Bruteier sollen stets sauber und vor allem trocken bleiben; darum muss die Nesteinstreu immer wieder kontrolliert und wenn nötig ausgetauscht werden. Feuchtes, schmutziges Nistmaterial schimmelt leicht, und das ist für Bruteier tödlich. Zudem machen Pilzsporen auch Gänse sehr krank. Die Stalleinstreu sollte täglich gewechselt und der Auslauf sauber gehalten werden, sonst tragen die Gänse mit ihren Paddeln zu viel Schmutz in das Nest.
Die Befruchtung
Die Befruchtungsrate junger Gänse ist der älterer gleichzusetzen. Beide Tiere eines Zuchtstammes sollten jedoch mindestens ein Jahr alt sein, damit die Gans ausgereift ist und der Ganter seine volle Potenz besitzt. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Gänse sind sehr langlebig und können praktisch bis zu ihrem Lebensende Bruteier liefern. Mir wurde von 20-jährigen Gänsen berichtet, die immer noch einwandfreie Bruteier gelegt haben sollen. Auch
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