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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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nähern.
    «Weiß gar nöd», erzählt Jakob. «Wir haben den Herzbolze ausgemessen, und dabei kamen wir ganz automatisch ins Du, weisch, bis ich ihn dann fragte, wie er heiße.»
    «Aha.»
    «Er hat den ähnlichen Namen wie mein Götti-Buäb, weisch, der heißt nämmli Sandor. Das ist gut, so muss ich den Namen des Drehers nur leicht drehen und kann ihn mir dann merken: Sandor – Sandro.»
    «Und was habt ihr außerdem gemacht, so lange?»
    «Was heißt da lange?»
    «Okay, dann eben in der kurzen Zeit, in der ich draußen all meine restlichen Zigaretten aufgeraucht habe», grinse ich.
    «G’redt.»
    «Geredet? Verstehe.»
    «Ja, halt über Drähbänk und so … und über Stahl.»
    Ich für meinen Teil kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Stahl ein erschöpfendes Gesprächsthema sein kann. Und bin fasziniert von der Erkenntnis, dass wohl kein Thema existiert, das
nicht
erschöpfend besprochen werden kann, wenn sich zwei Fachleute seiner annehmen.
    Jakob ist still geworden. Wahrscheinlich denkt er an Stahl, überlege ich. Als wir das Ortschild «Amerika» passieren, sagt er: «Du, Dieter, dir ischt schon klar, dass die jetzt eine äxtra Einzelafertigung machen müssen, oder? Us Titan!»
    «Ja, das hab ich verstanden», sage ich und drossele das Tempo. Ich mag es sehr, langsam in jenes Dorf hineinzugleiten, das mir Anfangs so fremd war und das ich inzwischen als
mein
Dorf
bezeichne.
    «Dann häsch du au verstanden, dass das nöd billig wird, oder?»
    Ich blicke zu Jakob hinüber. «Was verstehst du unter nicht billig?»
    «Teuer», sagt Jakob nur.
    Mir wird unwohl: «Hat dein Sandro eine Kostenprognose abgegeben?»
    «Gfröget hab ich schon, mit wie viel wir denn so rechnen müssten, in etwa. Aber er meinte nur, das machen wir dann schon, morgen.»
    «Und was meinst du? So als Fachmann?»
    Jakob wiegt den Kopf: «Ich chönnte nur ungefähr schätzen, was es bei uns so sein chönnte …»
    «Und wie könnte diese Schätzung dann so ungefähr ausfallen, Jakob?» Mein Unwohlsein steigert sich ins Mulmige. Dass ich Jakob die Würmer derart einzeln aus der Nase ziehen muss, verheißt nichts Gutes.
    «Ja … was soll ich da jetzt dazu sagen, Dieter?» Draußen gleiten die Dorfpfuhle und das bronzene Reiterdenkmal vorüber.
    «Die harte, nackte Wahrheit sollst du sagen, Jakob. Und nichts als die Wahrheit.»
    «Also», hebt er an, in seinem Tonfall schwingt eindeutig so etwas mit wie: Wenn du unbedingt Schmerzen willst, dann will ich dir Schmerzen verschaffen. «Da wäre die Vermesserei, die Einrichterei, die Programmiererei, dann das Drehen selbst mitsamt zwei Nuten, uf de Hundertschtel genau, dann wieder retour bouen auf den normalen Produktionsablauf … ja, und dann ’s Material! Titan isch so ziemlich ’s Edelschte, was es gibt, rechne wir mal mit fünf Kilo, inklusive Drehschwund, Abnützung vom Werkzüüg, die isch dänn höch bei den Härtegraden, also … so über dem Duumen gepeilt, würd ich sagen … also unter fünfhundert kommscht du nicht weg.»
    Ich bremse und rufe entsetzt: «Fünfhundert, für ein Stückchen Stahl?» Wir kommen vor unserem Gefängnis-Hoftor zum Stehen.
    «Für es Hürlimaa-Herzbölzli us Titan, immerhin!», korrigiert Jakob. «Wenn sich der Hürlimaa dann i fünftausend Jahren völlig in Roscht verwandelt und ufglöst hat, finden die Archäologen nüt meh’ von ihm, außer einem völlig unversehrten Herzbölzli. Das wird noch immer sein wie neu, die müssten es nur abputzen und könnten es, so wie es ist, grad wieder in einen anderen Hürlimaa einbauen.»
    «Es tröstet mich ungemein, Jakob, dass die Archäologen in unabsehbar ferner Zukunft
meinen
Herzbolzen in
ihren
Hürlimann einbauen können. Aber zahlen muss
ich
ihn. Im Hier und Jetzt.»
    «Ja, aber du häsch ja kei andere Wahl, oder?», stellt Jakob pragmatisch fest. «Es isch ja nur eine grobe Schätzung. Könnte natürlich auch teurer werden.»
    «Über tausend?», frage ich, auf alles gefasst.
    «Das glaub i wieder weniger.»
    Mehr als fünfhundert, aber weniger als tausend also. Toll. Super. «Franken oder Euro?», frage ich, in der Hoffnung, Jakob hätte nur von Franken gesprochen, sodass ich in Euro vielleicht doch mit weniger als Fünfhundert davonkommen würde.
    «Nein, hab’s scho in Euro umgerächnet.»
    «Um
geschätzt
wolltest du sagen. Jakob, wenn ich den Geldautomaten in Schmachthagen bis zum Limit plündere und alles zusammenkratze, was Sonja und ich im Hause finden, komm ich maximal auf sechs-

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