Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
sinnvolle Verbesserung, oder?»
«Gerne, lieber Erfinder des Jahres», schmunzele ich. Das ist endlich wieder der Jakob, wie ich ihn kenne!
Der schmale, mit rissigem, bröckeligem Beton überzogene Weg gabelt sich. Ein rostiger Wegweiser zeigt nach rechts. Die Schrift ist gerade noch zu entziffern: «Werft.»
«Wir sind da», bemerke ich. Jakob späht ungeduldig wie ein Jagdhund, der Beute wittert, durch die Scheiben. Seine Hände umklammern den Herzbolzen. «Bin mal gspannt, du, was das wohl für eine Werft sein soll, weisch wiä», presst er zwischen den Zähnen hervor.
Es sieht alles andere als vertrauenerweckend aus, hier: Halb verwitterte Gebäude mit rostigen Wellblechdächern schwimmen in gelb vertrocknetem Gras. Disteln und Farne wuchern wild. Kleine, rostzerfressene Boote und Schaluppen liegen hier und dort im Brachland, als hätte sie eine Riesenwelle vor Jahrzehnten aus dem Fluss gekotzt und in wildem Durcheinander verstreut. Die Resterampe ausgeträumten Fernwehs ganzer Generationen von Freizeitkapitänen.
Jakob ist still geworden. Der Anblick vergammelnder Technik in wild wuchernder Natur ist für ihn als Schweizer gewöhnungsbedürftig. Beängstigend. Aber in ihrer absurden Anarchie doch irgendwie schauerlich schön.
«Sind mir da richtig, Dieter? Die isch doch schon seit einer Ewigkeit nicht mehr in Betrieb, diä Werft.»
Ich antworte nicht. Ich kenne Brandenburg immerhin schon gut genug, um zu wissen, dass man auf den ersten Anschein nichts geben darf. Es ist ein Land voller Überraschungen.
Konzentriert halte ich den durch zahllose Schlaglöcher heftig schwankenden Jeep stur auf Kurs. Zwischen zwei rostig-löcherigen Schiffsbäuchen hindurch flimmert kurz die im Sonnenlicht glitzernde Oder auf. Der Pfad führt jetzt steil bergab, und nachdem wir einen wild in die Fahrbahn wuchernden Dschungel hinter uns gelassen haben, weitet sich das Gelände jäh. Ein unerwartetes Panorama: Große moderne Hallen breiten sich aus, in den Himmel ragende Brückenkräne rollen auf Schienen über riesige Asphaltflächen, an ihren Greifern schwanken tonnenschwere gebogene Stahlträger wie Rippen eines gigantischen Monsterfisches.
«Ja, jetzt luäg au da», ruft Jakob, den die Betriebsamkeit der Kräne offensichtlich begeistert. «Wer hätte das gedacht!» Er schlägt mit der Faust auf die Konsole. «Jetzt gaht’s mir wieder gut!»
An einem schönen alten Backsteingebäude prangt ein Schild: «Werft-Leitung». Wir parken den Jeep direkt davor und betreten den Empfangsraum. An den Wänden Farbfotos von Ozeanriesen. Eine Luftbildaufnahme der Werft. Wenn mein Hof nur über halb so viel Fläche verfügen würde wie diese Werft, denke ich, dann ginge es uns gut!
Eine zierliche, dunkelhaarige Frau mittleren Alters sitzt hinter einem Computerbildschirm und hämmert auf die Tastatur. Grauer Rock, kaffeebrauner Rollkragenpulli, darüber eine dünne Goldkette mit Perle. Stiefeletten mit Absätzen.
«Guäte Morrrgä», sagt Jakob.
«Tach», sage ich.
«Momeeent», sagt die Frau.
Jakob platziert den Herzbolzen auf dem Tresen. Die Frau hämmert weiter, die Plastikuhr an der Wand tickt. Ich betrachte die Prospekte im Plaste-Prospekthalter auf dem Tresen. «Patente für den modernen Schiffsbau», lese ich, «Komponentenbauweise», «Exklusiv in Europa», «Laser-Schweißtechnik» und «Spanten bis 1000 Tonnen, millimetergenau».
«So», sagt die Frau, steht jetzt schwungvoll auf und kommt elastischen Schrittes zum Tresen. «Wat können wir den Herren denn antun?» Sie fixiert Jakob, ihre lidstrichumrahmten Augen blitzen herausfordernd. Sie riecht nach Vanille.
«Ja, also, es ischt eben eso, oder», beginnt mein Freund. «Wir hätten da es Problem mit dem Herzbolzen da, oder, weil der Herzbolzen ist vebrochen …»
«Verbrochen? Sie sind nicht aus der Gegend, wa?»
«Nei, ich …»
«Icke versteh nämlich nur Bahnhof.»
Jakob verharrt verblüfft. Die Frau schnippt mit den Fingern, deutet auf seine Brust und ruft: «Schweizer! Hab ich gleich gehört. Da war ich auch schon!»
«Ja, ja … Schwyz, ja.» Jakob lächelt verlegen «Äh, eben … dem verbrochenen Herz …»
«Ge-brochen heißt det, junger Mann,
ge
brochen. Mit
gebrochenen
Herzen kenn ick mir aus, det können Sie mir glauben, da sind Se bei mir goldrichtig.» Sie lässt ein kleines Kichern hören und lehnt sich über den Tresen, Jakob entgegen. Die Perle an ihrer Kette baumelt exakt über dem Herzbolzen. «Ich würde jetzt zwar liebend gerne mit
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