Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
die Spiegelbrille ab und zeigt sie Sonja. «Eher dunkelblau, dunkelblau sind die Gläser, da hast immer ein schönes Wetta, wann’s durch die Brillen schaust, sixt, Sonja? Blau is halt meine Lieblingsfarbe. Aber ich vergess immer, dass die ja vorn ganz verspiegelt sind, die Brillen, gell, weil das brauch ich für die Fahrerei, gegen die Reflexionen. Und dann sind die andern halt immer a bisserl verwirrt, sind’s dann, wenn ich vergess, die Brille zum runternehmen. Vergelt’s Gott.» Er setzt sich die Brille wieder auf, und schiebt sie weiter nach oben in die Kurzhaarfrisur.
Sonja und ich sehen uns an. In ihren Mundwinkeln zuckt es, aber sie hat sich im Griff. «Waldemar, wie geht es meinen Kühen?»
«Ja, prächtig! Prächtig geht es denen, jetz schaut’s halt amal nach eurem Familienzuwachs, geh, wart, ich lass amal die Rampe runter, dann könnt’s es glei begrüßen, eure Schatzelen, gell?»
«Halt», gebe ich zu bedenken, «nicht bevor der Tierarzt hier ist. Wir dürfen sie noch nicht ausladen.»
«Ja freilich, ich mach ja nur amal auf, gell, des Absperrgitter, des bleibt ja zu.»
Sie kennen diese Szenen aus vielen Science-Fiction-Filmen: Das extraterrestrische Raumschiff ist gelandet. Es dominiert riesig und fremd die verlassene Landschaft. Zwei winzige Erdenmenschlein, in der Regel von jedem Geschlecht eines, stehen staunend davor und dann … ganz langsam, öffnet sich eine Klappe, erst klafft nur ein Spalt in der metallenen Außenhaut, doch stetig verbreitert er sich, die Klappe fährt nach unten und gibt allmählich den Blick frei ins Innere, erst erkennt man die Decke des Ufo-Laderaums, dann die hintere Wand, die Klappe senkt sich weiter … jetzt … jetzt werden die Helmantennen der Aliens sichtbar, die mächtigen Köpfe und nun auch ihre dunkelbraunen, fast schwarzen, mit zottigen Haaren bedeckten Körper.
Sonja und ich stehen staunend vor dem Heck des Sattelschleppers, und ganz langsam öffnet sich ein Spalt, stetig bewegt sich die Klappe nach unten, gibt den Blick frei ins Innere, wir sehen die Decke des Laderaums, die hintere Wand, und jetzt … die beeindruckenden Hörner der Wasserbüffel, ihre mächtigen Köpfe, und nun endlich auch ihre dunkelbraunen, fast schwarzen, mit zottigen Haaren bedeckten Körper.
Wir treten an das Absperrgitter, das den großen Innenraum unterteilt. Vier Wasserbüffelkühe blicken in unsere Richtung. Ruhig, abwartend. Mächtige Körper, beeindruckende, stromlinienförmig nach hinten gerichtete Hörner, deren Spitzen in elegantem Schwung wieder nach oben auslaufen. Über der Stirn langes, raues Haar, akkurat in der Mitte gescheitelt. Die Schädelform der Büffelinnen scheinen in orkanartigem Gegenwind geformt worden zu sein. Nur die großen Ohren beeinträchtigen diesen Eindruck, weit stehen sie zur Seite ab, Schallwellenfänger. Dunkle Augen beobachten uns unter langen Wimpern. Auf den schwarzen, ledrigen Nüstern glitzern winzige Tautröpfchen, wie am Glas einer Bierwerbung. Angenehm kühl weht es aus dem Laderaum.
«Merkt’ses, wie die Klimaanlage wirkt, hä? Da drinnen hat es konstant 20 Grad, gell, damit es den Passagieren jederzeit wohl ist. Des is ja des Wichtigste, gell, dass es denen gutgeht unterwegs, halt, und wer mit dem Waldemar reist, der reist Komfortklasse», klärt uns Waldemar stolz auf, und bei ihm klingt «Komfort» wie «komm fort».
Sonja und ich stehen andächtig vor den Tieren. Die Stammherde, jetzt ist sie da! Für unseren kleinen tapferen Hof bricht eine neue Ära an. Vier Wasserbüffel, vier Galloways, alle tragend, und wenn es läuft wie geplant, werden sie uns im Frühjahr mit acht Kälbern beschenken. Die nächste Generation …
«Und die Galloways?», fragt Sonja. «Wo sind die Galloways?»
«Ja, die sind weiter hinten, im eigenen Abteil, gell, ich wusste nicht, wie gut die sich vertragen untereinander, da sagte ich mir, bevor es zu gruppendynamischen Problemen kommt, Waldemar, mach eine Abtrennung. Wart, ich schalt amal ein Licht an.»
Er drückt auf einen Schalter an der Innenwand, und im Laderaum wird es hell. Hinter den Büffelinnen erkennen wir jetzt eine etwa zwei Meter hohe massive Absperrung aus verzinkten Stahlrohren. Dahinter stehen sie. Auch sie halten die Köpfe zu uns gewandt. Etwas kleiner als die Büffel sind sie, haben lockig-zotteliges, rotbraunes, dunkles Fell. Keine Hörner, Galloways sind von Natur aus hornlos. Ich verliebe mich sofort in diese Gesichter. Sie sind geformt, als ob sie noch Jungtiere
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