Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
auf. «Brave Weibis! Und jetz is amal a Rua!»
Der Mann platziert die Spiegelbrille wieder auf seiner Nase, löst den Kaffee im heißen Wasser auf, ergänzt das Gebräu mit weißer Schlotze aus der Tube. Er öffnet die schuhcremeartige Dose, entnimmt ihr ein braunes Stück undefinierter Materie und schiebt es sich in den Mund. Lutscht genießerisch. Scho-Ka-Kola. Dann macht er es sich, die leicht gespreizten Beine lang ausgestreckt, auf der Liege bequem, stellt den Becher mit dem Kaffee griffbereit auf seine Brust und ergibt sich ganzkörperlich dem mild-warmen Sommermorgen.
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Waldemar
Nemmer noch schnell an Kaffee?», fragt mich Sonja, als wir mit den Hunden wieder beim Haus sind. Wir sind seit fünf Uhr früh zugange, haben den Schafen bereits Wasser auf die Weide gefahren, den Esel- und Pferdestall ausgemistet und mit Momo und Zora, unseren beiden Sennenhunden, den obligatorischen Morgengang absolviert. Eine Stunde früher als sonst, was wir deutlich zu spüren bekommen haben, unsere Körper haben sich lange und zäh geweigert, auf Betriebstemperatur hochzufahren. Inzwischen aber hat erwartungsvolle Aufregung jede Müdigkeit vertrieben: Die Wasserbüffel werden heute Morgen ankommen, und die Galloway-Kühe. Die Urahninnen der beiden Herden, die wir mit ihnen aufbauen wollen. Kurz vor Mitternacht hatte der Fahrer noch einmal angerufen. Alles würde perfekt laufen, hatte er in fröhlichem Bayerisch mitgeteilt, er hätte jetzt noch mal Rast gemacht und die Tiere getränkt, er würde dann mit den schlafenden Viechern durchfahren und rechne, so ab sieben wohl da zu sein. Er hatte sich noch einmal den genauen Weg zum Treffpunkt beschreiben lassen, beim Unterstand, den wir mit tatkräftiger Hilfe unserer Freunde eigens für die Ankömmlinge errichtet hatten. Wir waren nicht ganz fertig geworden damit, aber immerhin, die Stützhölzer standen fest auf ihren Zementfundamenten, die Brettbinder, die das Dach tragen werden, waren montiert, und das Dach selber schon zur Hälfte gedeckt. Es war also dafür gesorgt, dass die Tiere erst mal Zuflucht vor den heißen Sonnenstrahlen finden würden. Und lange vor den ersten kühlen Herbstwinden würden wir den großen, auf drei Seiten geschlossenen Unterstand samt Stroh und Heulager fertiggestellt haben. Und im kleinen Teich, den wir mit Hilfe eines riesigen Radladers hatten ausheben lassen, hatte sich schon genügend Wasser gesammelt, sodass auch die Büffel sich wohlfühlen würden und auf ihr kühlendes Bad nicht zu verzichten brauchten.
«Kaffee? Jetzt noch, meinst du?» Ich konsultiere das Ziffernblatt meiner Schweizer Präzisions-Wegwerf-Uhr. «Also gut, einen schnellen, wir haben noch vierzehn Minuten.»
«Mach kein’ Stress, Dieter», lächelt Sonja. «Die sind nie und nimmer um sieben da. Der Chauffeur ist Bayer, kein Schweizer, der klang so gemütlich, dem kommt es auf das eine oder andere Viertelstündchen nicht an.» Sie stellt zwei Tassen unter die Kaffeemaschine und setzt sie in Gang.
«Aber der Tierarzt, der ist vielleicht pünktlich, und es wäre mir peinlich, wenn …»
«Also ich brauch jetzt einen Beruhigungskaffee», beharrt Sonja, «aufgeregt wie ich bin», und setzt sich an den Küchentisch.
Den angenehm belebenden Kaffeegeschmack noch im Mund, steuere ich den Jeep durch die «Paradiesallee», wie wir sie nennen, zur künftigen Rinderweide.
«Ditaaaaa», ruft Sonja. «Dieter, schau, ich glaub, sie sind schon da … Sie sind da, Dieter, sie sind da, siehst du da vorn?» Sie hüpft aufgeregt lachend auf dem Beifahrersitz auf und ab wie ein junges Mädchen, das zum ersten Mal auf die Kirmes darf.
Angestrengt versuche ich auszumachen, was Sonja sieht. Ja, wirklich, dort, weit vorne, wo sich die Ränder des schnurgeraden Sträßchens und die beiden grünen Seitenbänder des Alleebewuchses perspektivisch verjüngt in einem Punkt treffen müssten, dort ist ein schwarzer Fleck, ein Loch, ein Nichts. Oder doch ein Etwas? Im Näherfahren erkenne ich, ja, es ist … kein Nichts, es könnte … nein, es
ist
eine Wand, eine Blechwand … tatsächlich, jetzt sind wir nahe genug … es ist die Rückseite eines riesigen Transporters, der wie ein Mega-Fötus im grünen Geburtskanal der Allee stecken geblieben zu sein scheint.
Sie sind da, unsere Rinder sind da! Ich stimme in Sonjas Triumphgeheul ein und gebe unweigerlich Gas. «Übermut kommt vor dem Fall, hä», mokiert sich der kleine Schweizer in mir. Ich pfeif drauf.
Sehr
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