Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
wären, breiter als bei den mir vertrauten Schweizer Milchkühen, sanfte Rundungen, mit flauschig-flaumigem Fell bedeckt. Hundertprozentiger Knuddeln-müssen-Effekt. Und zwar bei allen drei Tieren gleichermaßen. Drei? Warum nur drei?, durchzuckt es mich.
«Warum sind das nur drei?», höre ich Sonja fragen.
«Ja, eing’laden hamma vier», wundert sich Waldemar. «Vier von jeder Sorte. Aha, da ist die Vierte ja, schaut’s dort … seht’s es?» Er deutet mit der Hand, und jetzt erkenne ich einen dunklen Fellhügel auf der Strohmatte. Ganz in die Ecke zwischen Absperrung und Wand geschmiegt. Reglos.
«Ich hab’s ja gesagt», schreit der kleine Schweizer in mir. «Die ist verreckt, Gottverdammi, die hat den Transport nicht überlebt, ich hab’s ja gewusst!»
Da rührt sich die Kuh, dreht ihren Schädel, als ob sie den kleinen Schweizer gehört hätte, in unsere Richtung. Ihr Maul mampft in meditativen Kreisbewegungen die Heukugel, welche der Vormagen zum Wiederkäuen durch den Schlund nach oben geliefert hat. Der erste schockierende Eindruck wird schlagartig überschrieben durch sein Gegenteil: Freude.
«Ja, du hast es dir aber gemütlich eingerichtet, Schatzi! Ja, aber jetzt sag einmal …» In Waldemars Stimme schwingt ungläubiges Staunen mit. «Ja, wo liegst denn du? Du liegst ja bei den Büffeln …» Und dann an uns gewandt: «Ja, seht ihr des auch? Die liegt, ja das glaube ich ja nicht … liegt die plötzlich
vor
der Absperrung, die muss über die Ansperrung drüber …»
«Über eine so hohe Absperrung kommt keine Kuh», stelle ich sachlich fest. «Ihr habt falsch eingeladen! Ja könnt ihr denn kein Galloway von einem Wasserbüffel unterscheiden?»
«Jetzt kränkst du mich aber direkt a bisserl, Dieter.» Waldemar baut sich vor uns auf, so gut man sich eben als fast Nackter vor einem null nackten Paar aufbauen kann. «Pass auf, Dieter, hör zu, Sonja, wenn ich mich mit etwas auskenne, dann mit Kühen. Das hab ich in den Genen! Seit Generationen hat meine Familie Kühe. Meine Eltern hatten Kühe, meine Großeltern hatten Kühe, meine Urgroßeltern und die Urgroßeltern meiner Urgroßeltern und deren Urgroßeltern, das geht so weiter bis Adam und Eva, seit immer schon hatten wir Kühe. Meine Frau Mutter hat mich im Kuhstall zur Welt gebracht und …»
«Du bist im Kuhstall geboren worden, Waldemar?», unterbricht ihn Sonja. «Im Kuhstall?»
«Ja freilich, wenn ich es sage. Meine Mutter war grad am Melken an dem Abend, und dann ist sie nicht mehr hochgekommen vom Schemel, weil die Wehen plötzlich so stark eingefahren sind, und dann hat sie sich einfach ins Stroh unter die Kuh fallen lassen und hat gerufen, es geht los, und dann wollten sie sie ins Schlafzimmer tragen, aber sie hat g’schrien, lasst’s mich, lasst’s mich ihr Deppen, lasst’s mich hier bei meiner Vroni, die kennt des doch selber so gut, jetzt lasst mich doch in Ruh, ich mach das schon mit der Vroni, so hat’s gewütet, die Mutter, in ihrem Schmerz. Und dann hamm’s alles in den Stall schleppen müssen, Tücher und Wasser und was weiß ich, auch die Hebamme, die sie herbeigerufen haben, auch sie hat in den Stall kommen müssen und helfen, bis der kleine Waldemar herausgekrochen kam aus seiner Mutter. Und die Vroni, die gute Kuh, hat sich die ganze Zeit nicht gerührt, ist nur g’standen über der Menschenfrau und hat sie bewacht. Die Mutter schwört heute noch, ohne die Vroni hätte sie das nicht überlebt, diesen Höllenschmerz, aber sie hätt’ sich halt zusammengerissen, weil, sie wusste ja, die Vroni macht das selber mit, fast jedes Jahr und kann’s ja auch, und vor der Vroni wollte sich die Mutter keine Blöße geben …»
Waldemar muss eine Pause einlegen. Er atmet zweimal tief durch, wir hängen erwartungsvoll an seinen Lippen.
«Versteht ihr?», fährt er fort. «Das Erste, was diese meine Augen erblickt haben, war eine Kuhwampe von unten. Und dann kommst du daher, Dieter, und willst mir erzählen, ich könne eine Galloway-Kuh nicht von einem Wasserbüffel … Nein also, da fällt mir nichts mehr dazu ein, des ist einfach ein … eine Beleidigung ist des!»
«Entschuldige, Waldemar, ich wollte dich nicht beleidigen, und nehme das offiziell zurück», sage ich reuevoll.
Waldemar winkt ab. «Kühe sind mein Leben, verstehst du! Aber Schwamm drüber, hast es ja nicht wissen können, gell.» Er klatscht seine Hand gegen meinen Oberarm. «Schon gut, Dieter.»
«Aber warum ist die Gally-Kuh dann bei den
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