Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
gemacht mit Hornviechern. Ich bin Hufschmied, musst du wissen, Pferdemensch. Kühe hassen mich einfach, weiß der Geier warum. Bin ich auf ’ner Pferdekoppel, kommt alles, was draufsteht, ran und will schmusen, bin ich aber auf ’ner Kuhweide, denn kommt auch alles ran, aber wie Kriegsfregatten unter Dampf, und nicht zum Schmusen, da kannst du Gift drauf nehmen.»
«Geh, des gibt’s doch gar nicht.» Waldemar winkt ungläubig ab. «Eine Kuh ist das friedliebendste Tier unter dem Himmel! Eine Kuh, die greift doch niemals an, jedenfalls nicht, so lang wie du ihr nix antust. Ganz im Gegensatz zu Pferden, die werden doch schon rabiat, wenn du nur am Zaun auftauchst, des hab ich oft genug selber erlebt, also das is präzis genau anders herum, sag ich dir!»
«Tjo, mach ja sein, dass bei dir Süden dort ist, wo mein Kompass auf Norden zeicht, ich sach nur: Kühe hassen mich. Alle.»
«So einen Total-Blödsinn hab ich ja meinen Lebtag nicht gehört», widerspricht Waldemar. «Kühe können gar nicht hassen!»
«So», sagt Karl und deutet mit dem Pfeifenstiel auf Waldemar, «Kühe können nicht hassen? Denn will ich dir mal eine kleine Geschichte erzählen: Ich hab da vor Jahren mal in einer Wildwest-Show mitgemacht, da hatten wir sicher so an die fünfzig sehr nette Pferdchen im Einsatz. Aber für die Szene, wo die Ranch von uns Indianern überfallen wird, brauchten wir auch noch drei dicke, große, fette Kühe. Die waren ja auch ganz friedlich, im Prinzip, und fanden das alles nett, aber kaum ist der Indianer Karl auf seim Schimmelchen angeritten gekommen …»
«Ja, ja, da haben dich die Kühe runterschubsen wollen, und du durftest nicht mehr mitspielen, in der Szene», unterbricht Gaby. «Wir kennen die Geschichte. Was ist nun mit dir, reinkommen oder draußenbleiben?»
«Also», antwortet Karl, «liebend gerne seh ich mir von hier aus an, wie die netten Büffelchen ihre Hörner in deinen süßen Po pieksen.»
Wir anderen betreten die Weide. Ehrfürchtig bleiben wir zwei Kuhlängen vor den Büffeln stehen. Ich empfinde nichts anderes als ungezügelten Besitzerstolz. Sonja steht neben mir, ich spüre plötzlich ihre Hand in der meinen. Wir halten uns ganz fest. Auf ihrem Gesicht breitet sich eine Zufriedenheit aus, als betrachteten wir ein eigenes nobelpreisgekröntes Meisterwerk. Keiner spricht. Menschen und Wasserbüffel sind einander schweigend zugewandt. Die Galloways sind etwas abseits ausschließlich mit Grasen beschäftigt, als ob es nur sie selbst gäbe auf der Welt – und diese Wiese. Da bewegt sich die erste Büffelin auf uns zu. Der Kopf ist leicht gesenkt. Verdammt, die sind wirklich beeindruckend, diese Hörner. «Achtung, sie kommen, Rückzug, geh lieber weg jetzt», sagt der kleine Schweizer aufgeregt. «Kümmere dich doch lieber ein wenig um den Karl, der da ganz alleine hinter dem sicheren Zaun steht.»
Doch ich mache das Gegenteil. Ich gebe die Geborgenheit von Sonjas Hand auf und bewege mich einige Schritte auf die Büffelkuh zu. Sie bleibt stehen. Aha, sie reagiert, sehr gut. Ich verharre ebenfalls. Die Büffelin hebt den Kopf, schaut, schätzt ab, senkt den Schädel wieder und setzt sich abermals in Bewegung, direkt auf mich zu. Ich mach es ihr nach und gehe meinerseits in ihre Richtung. Diesmal keine Reaktion. Das ist nicht gut, schießt es mir durch den Kopf, die funktionieren doch anders als Hunde oder Pferde. Aber wie? Wie geht Büffel-Sprech? Versuchsweise bleibe ich nochmals stehen, vielleicht würde sie dann auch … nein, sie kommt unbeirrt näher, senkt den Kopf noch tiefer, stößt einen kurzen, kehlig-knatternden Laut aus. Diese Hörner … ich zwinge mich, nicht zurückzuweichen … Sie kommt näher, unaufhaltsam, zwei Meter, einen Meter, jetzt … wenn nur diese Hörner nicht wären. Sie verharrt. Direkt vor mir, ihre spitzen Waffen tief gesenkt. Ich höre ihren Atem. Kurze Luftstöße. Was bedeutet das? Ist sie zornig, wird sie gleich einen Schritt weitergehen, mit den Hörnern unter mich fahren, um dann den mächtigen Kopf hochzuwuchten … und mich der Länge nach aufzureißen?
Ich erstarre zur Statue. Meine Taktik lautet: Wer sich nicht bewegt, kann keine falsche Bewegung machen. Die Büffelin wartet. Worauf? Auf eine Berührung? Und wenn ja, wie würde sie reagieren? Da hebt sie langsam ihren Kopf, fährt mit ihren Nüstern meinen Körper entlang nach oben wie eine Hebebühne. Sie ist auf Augenhöhe. Bläst mir ihren nach Gras duftenden Atem ins Gesicht. Ich
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