Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
schon die Raspel mit, obwohl er gar nicht wusste, ob ich ihn überhaupt an meinen Marlon ranlassen würde.
«Brave Gaby, gut gemacht», bedankte sich Karl, als er die Raspel in Empfang nahm, und Gaby fragte sich, warum es sie nicht störte, dass er zu ihr redete wie zu einem Pferd.
Karl raspelte vorsichtig über den Huf, einmal, zweimal, er guckte, visierte über die bearbeitete Fläche, setzte noch einmal an, ein halber Zug, blies die wenigen Späne weg, visierte noch einmal sorgfältig, nickte und stellte Marlons Huf sanft zu Boden. «Das war’s!»
«Das war’s?», fragte Gaby.
«Jou.»
«Das soll’s gewesen sein? Bisschen schnitzen, bisschen raspeln, und fertig?»
«Du sagst es, Gaby min Deern, und fertig.»
Karl steckte sein Messer ein, legte sich die Raspel mit Schwung auf die Schulter. «In die Garage zurück bringst du den Gaul ja wohl alleine, oder?» Er machte auf dem Absatz kehrt und schlenderte gemächlich die Boxengasse runter zum Stallausgang.
«He», rief ihm Gaby nach. «Gucken Sie noch mal nach, Herr Klugscheißer-Karl, wenn Sie nächstes Mal hier sind?» Keine Reaktion von Karl. «Bitte!» schob sie nach.
«Bis in zwei Wochen, Frau Besserwisser-Gaby», hörte sie ihn. Aber er drehte sich nicht zu ihr um. Denn obschon sein Herz vor Freude Bocksprünge machte, wusste Karl: Wenn du willst, dass das zickige Pferdchen dir nachläuft, musst du ihm erst mal davonlaufen.
In den nächsten vierzehn Tagen schwoll Marlons Bein ab, er trat wieder auf, und nur wenn man sehr genau hinsah, konnte man noch einen Ansatz von Lahmen erkennen. Als Karl wieder am Hof erschien, musste Gaby sich selbst straff zur Ordnung rufen, damit sie ihrem Bedürfnis nicht nachgab, zu ihm zu laufen und ihm begeistert von Marlons Genesung zu berichten. Diese Blöße wollte sie sich auf gar keinen Fall geben. Er würde schon von selber kommen! Hatte er nicht gesagt: «Bis in zwei Wochen …»? «Frau Besserwisser-Gaby», das hatte er auch gesagt, der traute sich vielleicht was! Es gelang Gaby, wie sie sich einbildete, sehr erfolgreich, Karl so geflissentlich zu ignorieren wie eh und je. Karl jedoch bemerkte sehr wohl, dass dieses Ignorieren von anderer Qualität war als noch vor einem Monat. Es war nicht mehr echt. Es war gespielt. Und zwar für ihn, für Karl. Er freute sich wie Bolle.
Es wurde Mittag, es wurde Nachmittag, es wurde später Nachmittag. Karl ließ sich nicht bei Gaby blicken. Sie guckte in der Sattelkammer, sie guckte im Büro, sie guckte im Stall. Kein Karl. Sie stellte sich vor den Stall, von wo aus sie den roten Volvo-Kombi im Blick hatte, und wartete. Der wird doch nicht einfach fahren, ohne … Da, da kam er um die Ecke gebogen, steckte sich sein Pfeifchen an und schlenderte, bestens gelaunt vor sich hin summend, zu seinem Auto, öffnete die Heckklappe, kramte was rum, schloss sie wieder, ging zur Fahrertür und ruckelte den Hosenbund über seine Wampe. Dann stieg er ein und startete den Motor.
«He», schrie Gaby und schoss wie eine Furie zum Volvo. Vor der Kühlerhaube bremste sie ab und klatschte beide Hände krachend aufs Blech. Karl hinter der Windschutzscheibe starrte sie an. Jenseits zahlloser plattgeklatschter Insektenleichen sah er eine hübsche Frau mit blondem Wuschelkopf über seine Kühlerhaube gebeugt, wild guckend. Was für ein Bild! Obwohl, überlegte Karl, von da aus gesehen, wo sie hergekommen war, nämlich von hinten, hätte ihm die Szene auch nicht schlecht gefallen, denn sie hatte wirklich und wahrhaftig den süßesten Po auf Gottes Erden.
«He», schrie Gaby noch einmal, «mach den Motor aus!»
Karl gehorchte.
Gaby kam um die Kühlerhaube herum zur Fahrertür. «Hast du nicht ’ne Kleinigkeit vergessen, Genosse Karl?»
«Jesus, Gaby, min Deern, gut, dass du zufällig vorbeikommst. Ich wär beinah … Oh, das tut mir aber leid, kannst du mir dies eine Mal verzeihen?»
Er stieg aus, öffnete abermals die Heckklappe und schnappte sich die Raspel.
Wieder schnitzte Karl ein wenig, raspelte noch weniger, sagte «Das war’s» und ließ Gaby einfach stehen. Genau wie beim ersten Mal. Nur beim Abschied bot Karl eine kleine Variante: «Bis in zwei Wochen, min seute Gaby.»
In diesen zwei Wochen erholte sich Marlon vollständig; Gaby war ihn sogar schon vorsichtig geritten. Und seltsam, sie konnte nicht mehr an Marlon denken, ohne dass sich unweigerlich Karls Eisfeuer-Augen vor das Bild schoben.
Als er wieder aufkreuzte, ließ sie das Ignorier-Spiel einfach weg. Wozu noch die
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