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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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sich in seinem Kopf vermischt mit dem ängstlichen Muhen seiner eigenen Tiere, als er sie verraten hat. Und nach nicht mal einem Monat sei er so fertig gewesen, dass er hingeschmissen habe, einfach hingeschmissen, den ganzen Dreck. Ans Meer habe er gemusst, um das loszuwerden. Allein. Wochenlang. Fast ohne Gepäck. Nur er und die salzige Weite. Viel nachgedacht habe er dort. Und die Bilder hätten sich langsam verändert im Blau des Horizonts, die Töne seien friedlich geworden unter dem Rauschen der Wellen. Und er habe beschlossen, diese neuen Bilder und Töne Wirklichkeit werden zu lassen.
    Er sei zurückgekommen, habe alles Land verkauft, um diesen Transporter, wie er jetzt da steht, anzuschaffen. Das Beste vom Besten. Schallgedämpft, Klimaanlage, Tränke im Innenraum, ein rollender Luxusstall. Er habe nie wieder den Todesfahrer gemacht. Kein Schlachtvieh, nie mehr. Und er nehme nur Aufträge zu seinen Bedingungen an: Verladen wolle er selber. Ohne Hektik, Geschrei und Zwang. Er habe noch jeder Kuh so viel Zeit gelassen, wie sie eben braucht, um sich fürs Einsteigen zu entscheiden, und das werde auch so bleiben. Da gäbe es eben keinen Vorgesetzten, der ihn zur Eile triebe. Keine Fahrt länger als sechs, notfalls auch acht Stunden. Mittlerweile kenne er Bauern in ganz Europa, bei denen er unterwegs ausladen und die Tiere auf einer Wiese rasten lassen könne. Es sei zwar nicht einfach, das alles wirtschaftlich durchzuziehen, reich werde er damit nie, aber er habe dafür seine Freiheit und könne es sich und den Tieren so einteilen, wie es für alle gut sei. Und langsam spreche es sich auch bei den Züchtern herum, dass sie mit ihm das Beste für ihre Tiere tun und damit am Ende auch für ihren Geldbeutel.
     
    Wir helfen Waldemar, das Frühstück zusammenzuräumen. Eigentlich könnte er jetzt aufbrechen, doch statt sich in seine Kabine zu schwingen und loszubrausen, geht er zur Weide. «Ich muss mich doch noch von meinen Reisegefährtinnen verabschieden, meinen Schatzelen», sagt er. Wir stellen uns zu ihm und betrachten schweigend die Tiere. Die Büffelinnen haben den Teich in Besitz genommen. Liegen träge im Wasser und käuen wieder. Sie erinnern an Indien, irgendwie. Die Galloways haben sich aufgemacht, das Gelände zu erkunden – vier schwarze Flecken unter dem Horizont.
    «Erinnern mich an Amerika, irgendwie», sagt Karl und stopft sein Pfeifchen.
    «Wir sind ja auch in Amerika», bemerkt Gaby. «Kann ich mal den Tabak?» Sie zieht ihre Pfeife aus der Gesäßtasche.
    «Gell, was machst denn du jetzt mit derer Pfeife da, Gaby?», fragt Waldemar.
    «Was man eben so macht mit ’ner Pfeife», antwortet sie. «Rauchen.»
    Waldemars Gesicht zieht sich in die Breite «Geh, des glaub ich ja jetzt nicht, geh. Du willst jetzt wirklich da diese Pfeife rauchen?»
    «Soll ich sie essen?» Gaby lässt sich von Karl den Tabak reichen und stopft routiniert. Waldemar schaut zu, als ob er gerade Zeuge des weltbesten Zaubertricks würde.
    «Des ist mir jetzt aber zu viel, gell. Das glaube ich ja nicht!», ruft er.
    «Was denn?», fragt Gaby.
    «Ja, du bist doch aber ein Weib, oder?»
    Karl mischt sich lächelnd ein. «Da kannst du drauf wetten, junger Freund. Das kann ich dir aus eigener Anschauung und Erfahrung zu hundert Prozent garantieren.»
    «Aber sie raucht Pfeife!», ruft Waldemar, als ob er gehört hätte, Gaby sei ein Goldfisch und rezitiere Fontane.
    «Nur wenn’s mir gutgeht», sagt Gaby. «Oder wenn ich mich beruhigen muss. Ersteres war bis jetzt der Fall, mein lieber Waldemar, Letzteres könnte gleich eintreten, wenn du mich weiter anstarrst wie ’n Zombie. Feuer bitte!» Karl reicht ihr grinsend sein Pfeifenfeuerzeug, Gaby setzt es ein, zieht an und pafft kleine Wölkchen in die Sommerluft. Waldemar haut sich auf die Schenkel, die Handfläche klatscht auf seinen nacktes Bein, es klingt wie Applaus. «Des» – klatsch – «glaub» – klatsch – «ich» – klatsch – «jetzt» – klatsch – «aber» – klatsch – «nicht» – klatsch. «Ich habe schon allerhand Weiber erlebt, die allerhand rauchten, aber Pfeife! Ja, Gaby, du bist mir vielleicht eine Nummer, du! Also, wenn ich das erzähle, daheim beim Stammtisch, was ich da mit eigenen Augen gesehen habe, also, des glaubt mit keiner in Bayern, dass die Brandenburgerinnen Pfeife rauchen als wie die Mannsbilder, also, des glaubt mir in Bayern ganz genau niemand!» Waldemar haut Gaby auf die Schulter «Also nein, das muss ich schon sagen, gell, das

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