Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
mit den Büffeln spricht, ihnen erzählt, was ihm durch den Kopf geht, und sich zum Schluss bedankt, dass sie ihm so geduldig zugehört haben, wer all dies vorausgesehen und es Teddy wissen lassen hätte, dem hätte dieser beschieden, er gehöre in die Klapse. Teddy hätte sich ein Bierchen genehmigt und diesen Verrückten fortan ignoriert. Und dem Propheten damit bitter unrecht getan!
[zur Inhaltsübersicht]
Der Stier
Mimosa, die Büffelin, hat es klug gemacht: Es war kühl geworden in den letzten Tagen, der Herbst hatte die ersten leichten Nachtfröste gebracht. Darum war sie nicht ihrem ersten Bedürfnis gefolgt, auf offener Weide, weit ab von der Herde, zu gebären, sondern hat ihr Kalb im windgeschützten Unterstand, auf der warmen Strohmatte, zur Welt gebracht und die Unruhe durch die Anwesenheit der anderen Tiere in Kauf genommen.
Jetzt streicht die blaue Zunge der Büffelmutter unermüdlich über Kopf, Flanken und Bauch ihres frisch geborenen Kalbes. Abgekämpft liegt es im Stroh. Es bewegt sich nicht, nur hin und wieder zucken seine riesigen Ohren. Es war eine ungewöhnlich lange Geburt gewesen, fast den ganzen Nachmittag hat es gedauert, es war sehr kräftezehrend gewesen, für das Kalb, aber auch für die Mutter. Auch sie konnte nicht mehr aufstehen, nachdem es endlich geschafft war, musste sich liegend erholen. Dennoch hat sie sich nach kurzer Zeit wieder auf die Beine gekämpft, denn sie weiß, wie wichtig es ist, das geburtsnasse Fell ihres Kalbes trocken zu lecken, damit es seine Körperwärme nicht verliert.
Mit ihrer Zungenmassage animiert sie das Neugeborene zum Aufstehen, es darf sich der Müdigkeit nicht hingeben, es muss das Euter suchen und von der wertvollen warmen Milch trinken, Überlebensenergie tanken. Doch das Kalb ist für diese erneute Anstrengung noch immer viel zu erschöpft. Ein klein wenig Ruhe kann sie ihm noch gönnen, ein wenig Zeit noch, doch dann muss es auf seine wackeligen Beinchen kommen, sonst …
Sonja und ich stehen im Unterstand und beobachten, wie Mimosa versucht, das Kalb zum Aufstehen zu bewegen. Eine gute Mutter! Ich staune immer wieder, mit welcher Sicherheit unsere Tiere wissen, was zu tun ist. Und mit welcher Hingabe sie diese ihnen von der Natur gestellte Aufgabe meistern.
Sonja sieht auf ihre Uhr. «Das liegt nun schon über eine Stunde, das muss hoch, das muss jetzt endlich hoch.» Sie spricht leise, aber mit einem gewissen Unterton, der mich alarmiert. Wenn Sonja skeptisch ist, dann hat sie gute Gründe dafür. Innerhalb kürzester Zeit hat sie einen verblüffend sicheren Instinkt für ihre Galloways und Büffel entwickelt. Sie erkennt, ob ihre Herde sich wohlfühlt oder ob etwas nicht in Ordnung ist. Sie spürt sofort, was läuft zwischen den frisch Geborenen und ihren Müttern und wie es gut läuft oder eben auch nicht.
«Wie viel Zeit hat das Kalb noch, bis es stehen muss?», frage ich.
«Eigentlich keine mehr», meint Sonja. «Es ist zwar nicht wirklich kalt, du weißt: Wir hatten ja letzten Winter sogar bei stärkstem Frost Geburten, und alles ist gutgegangen. Aber das hier … das gefällt mir nicht. Wenn das Kleine nicht trinkt, wird es langsam, aber sicher auskühlen und noch schwächer werden. Dann hat es endgültig keine Chance mehr, ans Euter zu kommen. Dann war’s das. Es braucht die Energie aus der Milch. Und zwar bald mal!»
«Wollen wir versuchen, es aufzustellen, irgendwie?», schlage ich vor.
«Riskant», meint Sonja. «Wenn’s funktioniert, sehr gut. Wenn nicht, haben wir wertvolle Kraft des Kalbes vergeudet und es noch schneller geschwächt.»
Sonja zieht ihre dicke Jacke enger um den Oberkörper, als würde sie bei sich spüren, wie die Kälte unerbittlich immer tiefer und tiefer in den Körper des Büffelbabys einsickert.
«Wir stallen die beiden auf», entscheidet sie. «Ich muss sie unter Beobachtung halten. Mimosa darf die nächste Zeit auf keinen Fall ins offene Gelände mit dem Kleinen.»
Gemeinsam schleppen wir die schweren verzinkten Gatterelemente heran, so leise und ruhig es eben geht, und bauen eine Absperrung um die Büffelin herum. Mimosa beobachtet uns genau. Wird aber nicht unruhig. Das ist der Lohn dafür, dass wir es uns zum Prinzip gemacht hatten, bei den Tieren Vertrauen aufzubauen, mehrmals täglich nach ihnen zu sehen, mit ihnen zu sein, sodass sie uns längst als zwar seltsamen, aber harmlosen Teil ihrer Herde akzeptiert haben.
Sonja klettert über das Gatter zum Kalb und seiner Mutter. Vermeidet
Weitere Kostenlose Bücher