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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Küche.
     
    Als ich mit der warmen Kälbertränkflasche zurück ins Wohnzimmer komme, liegt Miosch wieder auf einer der Decken. Wir streichen ihm über Rücken und Flanken, versuchen uns vorzustellen, unsere Hände wären Büffelmutterzungen. «Mmmmmmö», macht Miosch und rappelt sich auf. Die Glätte des Holzfußbodens bereitet ihm Schwierigkeiten, also greifen wir ihm unter die Arme, besser gesagt unter die Beinchen. Ich reiche Alice die Flasche, sie präsentiert Miosch den Gummistutzen. Doch er findet dieses seltsame Ding seiner unwürdig und schnüffelt auf der Suche nach Milch eifrig an Alice herum.
    «Du bist
doch
patschert, Miosch», sagt Alice. «
Hier
ist doch deine Milch!»
    «Steck ihm einen Finger ins Maul», schlage ich vor.
    Sie tut es und strahlt: «Ganz warm, er ist warm!» Miosch produziert Sauggeräusche. «Mann, der zuzelt aber mächtig!», staunt Alice.
    «Jetzt versuch’s mit dem Fläschchen», weise ich sie an. Geschickt zieht Alice ihren Finger zurück und schiebt Miosch in derselben Sekunde das Fläschchen ins Maul. Der Stier verharrt, ist verblüfft. Dann saugt er versuchsweise, wartet ein wenig, merkt, dass aus dem gruseligen Gummiding köstliche Milch kommt, und jetzt gibt es kein Halten mehr: In rasendem Rhythmus saugt der Kleine an der Flasche, stupst kräftig dagegen, saugt weiter, und nach kurzer Zeit hat er das kostbare Weiß in seinen Bauch befördert. Zwei-, dreimal probiert er noch, ob da wirklich gar nichts mehr kommt, dann steht er zufrieden im Wohnzimmer, lässt ganz langsam den Kopf Richtung Boden sinken, kniet sich mit den Vorderbeinchen hin, senkt dann auch die Kruppe und: liegt.
    Ich will gerade Wischer und Eimer holen, um Mioschs nächtliche Hinterlassenschaften, die sich nicht nur dem Auge, sondern auch der Nase unangenehm bemerkbar machen, zu beseitigen, da poltert es an der hofseitigen Haustür. Das ging ja schnell mit dem Melken diesmal, denke ich und wundere mich, warum Sonja nicht einfach reinkommt – wir verschließen doch nie die Tür. Die Hunde rasen bellend an mir vorbei Richtung Flur. Und was jetzt an mein Ohr dringt, beweist zweifelsfrei: Das ist nicht Sonja.
    «Zu spät, schon wieder zu spät, ihr lernt es nie, ihr Versager! Über den ganzen Hof sind wir schon gelatscht, und ihr habt wieder gar nüscht geschnallt, nüscht, ihr Nullen!»
    Die Hunde erkennen Krüpkis Stimme, ihr Bellen verändert sich von laut drohend in laut freudig. Es gibt offenbar Vierbeiner, die durch Angebrülltwerden schlagartig in Bewunderung für den Brüller verfallen. Mir sind diesbezüglich auch einige ähnlich gelagerte Zweibeiner bekannt.
    Ich lasse Mob und Eimer, wo sie sind, und öffne die Haustür. Die Hunde begrüßen Krüpki stürmisch. Er stimmt in das Getöse ein und übernimmt, was Lautstärke betrifft, souverän den dominierenden Part. «Is ja gut, ihr Versager, is ja gut, ja, ihr Versager, ihr Nullleister, ja, jaaaa!!»
    Hinter Krüpki, Türrahmen füllend, taucht die Silhouette Teddys auf. An dessen Schulter vorbei erkenne ich, leicht verwischt durch Krüpkis fliegenden Flaum, das schwarze schmalkrempige Lederhütchen von Bauer Müsebeck.
    «Wollten mal sehn, wie’s dem Schwächling geht. Lebt der noch oder habt ihr die arme Sau mit ’ner Heizdecke zu Roastbeef gegart?»
    «Sau?», fragt Teddy.
    «Kalb», sagt Krüpki.
    «Büffel», korrigiert Teddy.
    «Meinetwegen Büffelkalb», brüllt Krüpki, sich zu Teddy umdrehend. «Mensch, nu lass doch ma gut sein, Dieter kapiert doch auch so, wen ich meine.»
    «Tja … äh», mache ich. «Sehr nett von euch, dass ihr euch erkundigt … äh … Miosch geht’s gut.»
    «Miosch?», fragt Teddy.
    «So heißt das Kalb», kläre ich ihn auf.
    «Büffelkalb», quäkt Krüpki. «Sag um Gottes willen
Büffelkalb
, sonst dreht der Große wieder durch!»
    «Der tut mir gefallen, der Name von dem Büffelkalb», brummt Teddy, «Miosch. Und wo isser nu, der Kleene? Wir waren uf der Weide, aber da ist keen Büffelkalb. Bloß deine Frau, die melken tut.»
    «Sie behauptet, ihr hättet das Kalb ins Haus genommen», mischt sich Krüpki ein. «Ins Haus! Aber das glaube ich ja nicht, bis wir es mit den eigenen Kiekern gesehen haben. Im Wohnhaus! Was sagt man denn dazu! Sag mir auf der Stelle, dass das nicht stimmt, Mensch.»
    Teddy schiebt seinen Kopf an Krüpki vorbei, schnüffelt und stellt fest: «Ick gloobe, so wie det hier riechen tut, stimmt det doch.»
    Krüpki macht einen Schritt in den Flur, weitet seine Nasenflügel und zieht

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