Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Luft ein, wie ein Seelöwe vor dem Abtauchen.
«Kuuuuhstall!», schreit er und tritt in Aktion. «Ich rieche es, allein, ich glaub es nicht! Platz da, mach Platz, sonst werd ich laut!» Und schon drängelt er sich, mich kurzerhand beiseite schiebend, an mir vorbei durch den Flur. Dicht gefolgt von Teddy und Müsebeck. Letzterer zwinkert mir im Vorbeigehen zu und grinst sein wissendes Grinsen.
«Immer der Nase lang», versuche ich einen schalen Scherz. Unnötigerweise: Die drei sind schon in die Küche eingebogen und streben zielsicher Richtung Wohnzimmer.
Sehr langsam und bedächtig schließe ich die Haustür, drehe mich um und warte auf Krüpkis Entsetzensschreie. Oder auf Teddys Lachen. Was würde wohl Müsebecks Kommentar sein? Doch aus den Tiefen des Hauses dringt das Unerwartete: Stille. Unheimliche Stille.
Ich nähere mich auf leisen Sohlen der Wohnzimmertür, und da seh ich sie. Alle drei stehen stumm und gucken auf die Szenerie vor sich: Miosch liegt unter einer Decke, sein Kopf ruht auf Alices ausgestreckten Beinchen, sie selbst sitzt gegen den Heizkörper gelehnt, ihre Hand bewegungslos auf Mioschs Nacken, die Augen hat sie geschlossen. Ich spüre das Bedürfnis, mir die meinen zu reiben. Das ist doch exakt das gleiche Tableau, das sich mir gestern vor dem Schlafengehen dargeboten hat. Bin ich im falschen Film?, frage ich mich, ist das eine 3 D-Rückblende, spielen wir hier
Und täglich grüßt das Murmeltier
?
Vier gestandene Männer in einem nach Kuhscheiße stinkenden Wohnzimmer in Amerika, Land Brandenburg, starren mit offenen Mündern auf ein pennendes Mädchen mit pennendem Büffelkalb und staunen andächtig, als sähen sie die leibhaftige Mutter Maria mit dem kleinen Jesulein. Das denkt sich kein Hollywood-Regisseur aus, das muss Realität sein, harte, unerbittliche Wirklichkeit.
Wir hören die Haustür ins Schloss fallen. Entschlossene Schritte nähern sich schnell. «Ah, seid ihr doch nachschauen gegangen?», lacht Sonja. Drei Männerzeigefinger werden synchron an drei Männermünder gelegt, und ein dreifaches «Psssst» ertönt. «Mach nicht so ’n Krach», flüstert Krüpki.
Wahrhaftig, Krüpki
flüstert
. Dass ich das noch erleben darf!
«Der Büffel schläft», flüstert Teddy.
«Alice schläft», flüstere ich.
Müsebeck macht als Einziger das einzig Richtige, was man in Gegenwart Schlafender machen kann: Er schweigt.
«Reingefallen, ich schlaf gar nicht.» Alice grinst uns spitzbübisch an und streicht sich ihre Wuschelfrisur nach hinten. «Ich wollte bloß nicht, dass ihr hier rumschreit und meinen Miosch erschreckt. Ich hab irgendwo gelesen, Erwachsene kriegen automatisch eine Schreiblockade, sobald sie ein schlafendes Kind sehen. Hat wirklich funktioniert.»
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Der Hund
«Kaffee?», hatte Sonja gefragt, nachdem sie Miosch die noch warme Milch Mimosas eingeflößt hatte, strengstens beobachtet von unseren drei Gästen, die jede ihrer Bewegungen fachkundigen Blickes überwachten. Ein vierfaches «Jou» war die Antwort gewesen. Nun sitzen wir in der Küche vor unseren Kaffeetassen. Einzig Büffelmama Alice hat darauf bestanden, bei Miosch bleiben zu müssen.
«Von seener Mutter tut der Kleene wohl nüscht mehr trinken, gloob ick, wenn der sich an die Alice jewöhnt hat», sagt Teddy
«Der? Ach», winkt Krüpki ab. «Red keinen Schrott, Teddy, der trinkt, wo immer er was zu trinken kriegt, kannste Gift drauf nehmen, ich kenn mich aus mit den kleinen Hosenscheißern. Bei den Fohlen ist es ja auch so, da hatte ich mal …»
«Is aber keen Foohlen, Krüpki», unterbricht ihn Teddy, das Wort «Fohlen» verächtlich in die Länge ziehend. «Det is ’n Büffel! Dass du det nie kapieren tust aber och.» Teddy schnaubt.
Da meldet sich Müsebeck zum ersten Mal zu Wort. «Der trinkt schon», sagt er still vor sich hin lächelnd. «Der macht det.»
«Siehste, Teddy, meine Rede, der macht dat. Lausche den Fachleuten und verklicker uns keine Hammelscheiße. Woher willst denn du wissen, was Sache ist mit dem Viehzeug, hä? Wo du doch noch nie keine Viecher nicht gehabt hast!»
«Jetzt hör du mal zu», sagt Teddy und wendet sich zum neben ihm sitzenden Krüpki. «Icke bin Vize-Meister im Schafscheren, da brauchst du mir nicht zu erzählen, dass ich keine Ahnung haben tu von Viehzeug.»
«Ist aber keen Schaaaf, det is ’n Büffel», äfft Krüpki Teddy nach.
«Na und? Sonja, sach du doch mal deine offene, ehrliche Meinung: Tu ich keene Ahnung haben von die
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