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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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überstimmt.
    Wir holen eine Isomatte aus dem Keller, das Bettzeug aus dem Gästezimmer und bereiten direkt neben dem Kalb ein zweites Lager für Alice, Danach präsentiert sich uns ein Bild wie aus einem Hollywood-Kitschfilm, Titel
Little Bull Girl
: Beide warm zugedeckt, das Kind an den Rücken des Kälbchens gekuschelt, ein Ärmchen über dessen Flanke gelegt. Als wir uns aus dem Zimmer schleichen wollen, ertönt, dünn vor Müdigkeit, Alices Stimmchen: «Wir brauchen einen Namen. Wenn er einen Namen hat, überlebt er bestimmt.»
    «Gut», antwortet Sonja. «Du wirst unseren Sorgen-Stier taufen. Es muss aber ein Name mit M sein. M wie Mimosa.»
    «Ist das bei Büffeln so?», fragt Alice. «Mir hätte Lukas gefallen.»
    «Das ist bei Büffeln so. Lukas ginge, wenn er der Sohn von Lilith wäre. Dieser hier braucht einen M-Namen.»
    «Ich denk drüber nach», sagt Alice müde. «Gute Nacht, ihr beiden.» Sie ruckelt sich noch enger an den Stier heran. «Nacht, Kleiner.» Und schon ist sie weg, im Träumeland.

[zur Inhaltsübersicht]
    Fachleute
    Um sechs Uhr morgens werde ich von fremdartigen Geräuschen geweckt. Ein ungewohntes, schnelles Klocklocklock-Klocklocklock-Klock aus dem unteren Stockwerk. Es verstummt, dann ist es wieder da, jetzt wieder weg. Es dauert einige Sekunden, bis mir mein Gehirn die Bilder zum Ton liefert. Und die elektrisieren mich. In Sekunden bin ich aus dem Bett, fahre in die Jeans, ziehe mir ein T-Shirt über und rumpele die Holztreppe hinab. Auf der letzten Treppenstufe dreh ich mich um und rufe hinauf: «Sonja, das Kalb! Es rennt herum!» Als ich die Tür zum Wohnzimmer öffne, sehe ich: Chaos. Sämtliche Decken sind wild im ganzen Raum verteilt, und mittendrin stehen, ja,
stehen
nebeneinander, flankiert von den beiden Sennenhunden, Alice und das Kalb und blicken mich an. Alices Gesichtsausdruck spiegelt Glück und Stolz. Die Hunde, fast so groß wie das Kalb, gucken sehr wichtig, warten ab. Wie mag Herrchen wohl auf diesen dritten Hund reagieren? Das Kalb selbst fixiert mich aufmerksam, es ist auf der Hut.
    «Ta-taaaaa», macht Alice. «Darf ich vorstellen, Miosch, das ist Dieter.» Sie deutet mit ausgestreckter Hand auf mich. «Dieter, das ist Miosch.» Ihre Hand beschreibt einen eleganten Bogen zum Kalb und landet zwischen dessen Segelohren auf seiner Stirn.
    «Er steht», analysiere ich die Lage messerscharf.
    «Und er geht», ergänzt Alice.
    «Und er scheißt», bemerke ich mit Blick auf diverse schwarze Breiportionen auf dem Wohnzimmerboden.
    «Und er pisst.» Alice deutet auf nasse Badetücher in der Ecke.
    Lachen hinter mir. Sonja ist dazugekommen. «Alice-Kind», ruft sie, «du bist eine Heldin! Du hast es geschafft!»
    «Miosch hat es geschafft.» Alice rennt zu Sonja und fällt ihr um den Hals. «Miosch ist super», erzählt sie. «Ich wach auf und seh ihn über mir stehen, ich hab ’nen richtigen Schreck gekriegt, und dann war ich so glücklich, und dann wusste ich plötzlich: Er heißt Miosch, ich weiß nicht warum, aber er sieht irgendwie nach Miosch aus. Bitte, bitte taufen wir ihn Miosch!»
    «Du hast ihn doch bereits getauft!», lacht Sonja. «Und Miosch ist ein super Name, klar, er soll Miosch heißen.»
    «Mmmmmmö», macht Miosch.
    Sofort ist Alice bei ihm. Eifrig stupst er mit seinen Nüstern an ihr herum.
    «Mmmmmmö.»
    «Miosch hat dich adoptiert», erklärt Sonja. «Er sucht Milch. Wir haben noch welche von gestern Abend. Macht ihr sie warm, bitte, Alice oder Dieter, und gebt sie ihm? Ich fahr zu Mimosa und hol Nachschub!» Schon dreht sie ab, aber ich halte sie zurück.
    «Sonja, das Kalb ist doch fit, wäre es nicht einfacher, wir bringen es zur Muttermilch statt die Muttermilch hierher?»
    «Ich trau der Sache noch nicht, ich will ihn erst beobachten. Und ein wenig warten, bis die Sonne mehr Kraft hat und es draußen wärmer geworden ist. Und er auch. Wer weiß, wie lange er bei der Mutter brauchen wird, bis er das mit dem Euter schnallt, patschert wie er ist.»
    «Miosch ist nicht patschert», protestiert Alice, doch Sonja ist schon weg. «Was heißt patschert überhaupt?», fragt Alice daher mich.
    «Ungeschickt», übersetze ich, «auf Österreichisch.»
    «Aha.» Sie überlegt. «Machst bitte du die Milch warm?»
    «Weil du dafür zu patschert bist?»
    «Nein», lacht Alice, «weil Miosch mich adoptiert hat. Und Adoptierte dürfen einander nicht alleine lassen. Niemals, weißt du?»
    «Ich weiß», sage ich. «Niemals», und verfüge ich mich in die

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