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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Gleichgewicht bringen zu lassen. Doch selbst ihr lief in seltenen Augenblicken die Galle über, und so ein Augenblick war jetzt gekommen. Sie ging ins Arbeitszimmer ihres Mannes und erklärte: «Es ist soweit.»
    Auch Jocelyn Pentecost besaß ein gleichmäßiges Temperament. Wirklich böse konnte er nur werden, wenn ein Brief vom Finanzamt kam. Das war eine Behörde, die er zutiefst verabscheute. Die
    Leute dort bedienten sich zwar der Sprache Shakespeares, verdrehten sie jedoch zu so aberwitzigen Schnörkeln und Windungen, daß der Sinn ihrer Äußerungen Jocelyn meist unverständlich blieb. Da ein solcher Brief an diesem Morgen gekommen war, befand sich Jocelyn in Igel-Stimmung. Er hatte sämtliche Stacheln aufgerichtet. «Was ist wie weit?» fragte er mürrisch.
    «Am Freitagabend kommen deine beiden Tanten mit dem Franzosen», sagte May.
    Sie beobachtete ihn aufmerksam. Bei solchen Gelegenheiten kam es entscheidend darauf an, daß er richtig reagierte. Sonst gab es Ärger. Er verbarg also seine Bestürzung und fragte: «Sagtest du: beide Tanten?»
    «Ich sagte: beide Tanten.» Sie saß auf der Kante seines Schreibtischs.
    «Das ist wie Pest und Hungersnot zusammen!» sagte er.
    Er wußte sofort, daß es die falsche Reaktion gewesen war. Er merkte es an dem Funkeln in den Augen seiner Frau und an der Schärfe in ihrer Stimme, als sie jetzt sagte: «Liebling, es sind deine Tanten. Und du wirst ja wohl kaum in der Küche stehen und Tante Beas Moussaka kochen oder für Tante Dorothea Fisch dämpfen. Das kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.»
    Er versuchte verzweifelt Boden zu gewinnen. «Natürlich freue ich mich sehr, daß sie kommen, die Guten. Es ist bloß -»
    «Bloß was?» Sie kannte kein Erbarmen.
    Er gab auf. «Hast du es Gaylord schon gesagt?»
    «Ja.»
    «Und was sagt er?»
    «Ich hatte den Eindruck, er würde gern auswandern.»
    «Ja, wenn sie ihn bloß nicht dauernd küssen wollten. Das kann er nicht ausstehen.»
    «Naja, es wird ihm schon nicht schaden.»
    «Nein, das nicht», sagte er eilig.
    Sie nahm den Brief vom Finanzamt und überflog ihn. «Was heißt denn das: e) oder falls die Steuer auf Grund der Veranlagung erhoben wurde, auf die sich der gestundete Betrag oder ein Teil desselben bezieht...?»
    «Das möchte ich auch gern wissen», sagte er unglücklich.
    Sie küßte ihn auf die Stirn. «Armer Jocelyn.» Dann ging sie hinaus. Er starrte auf den Brief, seufzte, nahm sein Manuskript zur
    Hand, las den letzten Absatz und strich ihn durch. Wieder seufzte er. All das, dachte er, und dazu noch zwei Tanten. Und ein verrückter Franzose! Er verscheuchte alles aus seinen Gedanken. Schließlich war er Schriftsteller und hatte andere, wichtigere Aufgaben, als sich um Tanten oder um das Finanzamt zu kümmern. Er versuchte sich auf sein Manuskript zu konzentrieren. May steckte den Kopf zur Tür herein.
    «Du, noch etwas: Dorothea schnarcht.»
    «Ja, und?» fragte er müde.
    «Deshalb will Bea nicht in einem Zimmer mit ihr schlafen. Eine der Tanten muß also in Gaylords Zimmer schlafen, und Gaylord müssen wir so lange zu deinem Vater stecken.»
    «Da werden die beiden ja hocherfreut sein.»
    Sie überhörte diese Bemerkung. «Würdest du dann bitte das Bett vom Boden runterholen und es zu deinem Vater ins Zimmer stellen?»
    Er war mit seinen Gedanken immer noch bei seinem neuen Buch. «Was soll ich - welches Bett?»
    «Jocelyn. Deine Tanten kommen übers Wochenende. Alles, was ich dich bitte, ist, daß du ein Bett vom Boden holst.»
    «Ja. In Gaylords Zimmer?»
    «Nein! Zu deinem Vater. In sein Zimmer.»
    «Aber du hast doch gesagt -»
    «Jocelyn! Hör mir jetzt bitte zu. Edouard soll im Gastzimmer schlafen, Dorothea im zweiten Gastzimmer, Bea in Gaylords Zimmer, Gaylord und dein Vater in deines Vaters Zimmer.»
    «Ich verstehe. Das Extrabett muß also in Vaters Zimmer. Du hast vollkommen recht. Ich wollte es dir auch schon so Vorschlägen, Liebes.»
    Sie sah ihn voll zärtlicher Verzweiflung an. «Dann ist ja alles in Ordnung, mein Alter», sagte sie lächelnd und verschwand. Armer Jocelyn, dachte sie. Allzu viele Möglichkeiten für große Höhenflüge hatte er in diesem Hause wahrhaftig nicht.
     
    Jocelyn saß da, von dunklen Ahnungen erfüllt. Für manche Männer ist das Herunterholen eines Betts vom Dachboden ein Kinderspiel. Anderen ist schon bei dem Gedanken daran zumute, als müßten sie einen Konzertflügel über eine Wendeltreppe hinuntertransportieren. Jocelyn Pentecost gehörte zu den

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