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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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beiden ewig küssenden Tanten, und rufen: «Wo ist er denn, der Junge? Wo ist denn unser Zuckerbübchen?» Einfach gräßlich. Für Gaylord waren sie ungefähr genauso schlimm wie der schreckliche Riese Fiefeifo, dessen Nüstern jedesmal Feuer sprühten, wenn er das Blut eines Engländers roch. Er ging hinüber zur Leiter und kletterte hinab in die große Scheune. Sein Plan war wohlüberlegt. Er stieg in den Saatkasten oben auf der großen Sämaschine und zog den Deckel zu. Dann fischte er seine eiserne Ration aus der Manteltasche: einen Riegel Mars, einen Beutel bunte Zuckerkugeln und eine Flasche Coca-Cola. Die Aussicht, daß man ihn nicht fand, bis die Tanten abreisten, war, wie er wußte, gering. Aber was konnte man machen bei einer Mutter, die alles sah, alles hörte, alles wußte? Immerhin, man konnte es versuchen.
     
    Von seinem Arbeitszimmer aus konnte Jocelyn die Straße am Fluß nicht sehen. Er konnte nur ab warten, bis die Tanten angekommen waren und das Haus mit ihrem Geschnatter und Getöse erfüllten.
    Dann allerdings würde es unmöglich sein, sich noch länger abzukapseln. Geflüsterte Ermahnungen wie «Bitte den Meister nicht stören» kannte man in diesem Hause nicht. Jeder konnte jederzeit zu ihm Vordringen, und alle machten recht häufig von dieser Möglichkeit Gebrauch. Wahrscheinlich war er daran selber schuld. Er war eben zu gutherzig. Andere Schriftsteller kannten anscheinend kein häusliches Leben, hatten keine Kinder, keine Tanten, keine spöttischen Frauen und keine störrischen Väter. Nein - andere Schriftsteller teilten offenbar ihre Zeit in zwei saubere Hälften: Entweder sie schrieben Meisterwerke, oder sie scherzten mit ihren Geliebten. Er, John Pentecost, hatte es von Anfang an falsch gemacht. Und nun war es zu spät.
     
    Opa, der im Wohnzimmer saß und döste, hörte das Knirschen von Autoreifen draußen auf dem Kies. Ein finsterer Blick, und sogleich wurden die Augen wieder geschlossen, und er begann tief und gleichmäßig zu atmen. Opa war Realist - er empfand Zuneigung für seine Schwestern, aber diese Zuneigung sollte jetzt immerhin mindestens ein Wochenende lang Vorhalten, und dafür langte sie knapp. Es war daher sinnlos, die beiden eher zu begrüßen, als unumgänglich nötig war.
    Außerdem gingen ihm immer noch die Worte seiner Schwiegertochter in Kopf herum. «Ich weiß, Schwiegervater, du redest dir ein, daß der Franzose ein Gauner ist, nur weil Tante Dorothea ihn während ihrer Kreuzfahrt kennengelernt hat. Das ist sehr unfair gegen ihn und auch gegen sie. Du mußt ihn so höflich behandeln, wie es sich gehört - wie es sich gegenüber einem Gast und gegenüber einem zukünftigen Schwager gehört.»
    Sein trotziger Blick hatte nur bewiesen, daß sie an den wunden Punkt gerührt hatte.
    «Liebe May», hatte er geantwortet, «du glaubst doch nicht im Ernst, daß ausgerechnet ich es einem Gast gegenüber an Höflichkeit fehlen lassen würde?» Er war tief gekränkt, denn zwei Dinge gab es, auf die John Pentecost sich einiges einbildete, und das waren seine Höflichkeit und sein Takt.
    Sie hatte ihm einen belustigten Blick zugeworfen und war dann wortlos gegangen. Na schön, höflich wollte er sein. Aber kein französischer Gauner sollte glauben, daß er ihm, John Pentecost, Sand in die Augen streuen konnte!
     
    Auch May hörte den Wagen und wappnete sich. Jetzt geht’s los, dachte sie. Ein ganzes Wochenende! Und für alles und alle, selbst für Schwiegervater, habe ich die Verantwortung! Die Kocherei, die Gäste, Streit verhüten, Wärmflaschen, Zahnputzgläser, morgens den Tee ans Bett... Und dazu lauter gegensätzliche Personen: Jocelyn, sein Vater, Gaylord, die Tanten, Becky und Peter, ganz zu schweigen von dem fremden Franzosen, und schließlich Amanda, die zwar noch nicht mitredete, aber durchaus imstande war, einem den Kopf heiß zu machen. May kam sich vor wie ein Kapitän, dessen Schiff langsam aus dem Hafen geleitet und im Atlantik sofort von einer tückischen Woge erfaßt wird. Nur Ruhe, sagte sie sich. Sie lächelte tapfer, öffnete die Haustür und rief laut: «Willkommen, ihr zwei!»
    Aber es waren nicht zwei. Es war eine junge Dame, der man ansah, daß sie sich angesichts dieser seltsamen Begrüßung am liebsten wieder in ihren vor dem Eingang stehenden Mini verkrochen hätte.
     
    Am Ende hatte die Vorsitzende vom Klub der Literaturfreunde ihr die Entscheidung abgenommen. «Na, Wendy», fragte sie am Telefon, «haben Sie schon einen Termin mit Jocelyn

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