Lieber Frühling komm doch bald
Hause.»
«Ja.»
«Und Amanda kannst du einfach Dorothea auf den Schoß setzen, dann bist du sie für das ganze Wochenende los.»
Gaylord, der endlich auch wieder etwas sagen wollte, rief: «Tante Dorothea kann sie dann doch auch säugen!»
«Nein, das kann sie nun doch nicht, Liebling», sagte May. «Warum denn nicht? Das kann sie bestimmt, wenn sie es versucht. Bessie kann glatt ein Dutzend kleine Ferkel säugen.»
Opa sagte gereizt: «Kann ihm vielleicht jemand den Unterschied klarmachen zwischen einer älteren Dame von sechzig und einer gebärfreudigen Sau?»
«O ja, bitte!» sagte Gaylord erwartungsvoll. «Was ist der Unterschied?»
May seufzte. «Tante Dorothea kann eine ganze Menge, was Bessie nicht kann.»
«Was denn? Sag doch mal!»
«Zum Beispiel sticken, Kreuzworträtsel lösen...»
«Mogeln beim Bridge», warf Opa bissig ein.
«Vater! Das tut sie nicht.»
«Und ob sie das tut! Sie hat schon als Kind gemogelt, beim Mensch-ärgere-dich-nicht.»
May sah die wißbegierigen Augen ihres Sohnes auf sich gerichtet. Gleich fragt er, dachte sie, wie man beim Mensch-ärgere-dich-nicht mogeln kann. Sie kam ihm eilig zuvor. «Siehst du, und deshalb ist es ganz gerecht, daß Bessie auch einiges kann, was Tante Dorothea nicht kann.»
«Zum Beispiel Eicheln fressen?»
«Zum Beispiel Eicheln fressen.»
«Oder grunzen, so: Oick-oick-oick?» Seine Grunzlaute klangen täuschend echt.
«Ganz recht, mein Herz.»
Zufrieden lehnte sich Gaylord auf seinem Stuhl zurück und schlenkerte mit den Beinen. Er schloß hypothetische Erörterungen immer gern mit ein paar handfesten Beispielen ab. «Oder so schaben, weißt du, wie Sandpapier, wenn sie ihren Rücken an der Stalltür scheuert.»
«Ja. Also, Jocelyn, das Bett wirst du doch wenigstens vom Boden holen, nicht wahr?»
«Selbstverständlich», sagte er geistesabwesend. Er sehnte sich zurück an seinen Schreibtisch, um seinen Gestalten Leben einzuhauchen. Doch im stillen hatte er nicht viel Hoffnung. Er war an einem Punkt angelangt, wo er nicht mehr weiter wußte. Er hatte das Gefühl, er sei am Ende. Und die Tatsache, daß er sich ziemlich regelmäßig, etwa alle sechs Monate, in diesen Zustand verrannte, minderte die Furcht, die ihn ergriff, um keinen Deut.
Opa war froh, daß die Auseinandersetzung für ihn vorbei war, und er beschloß, sich aus allem anderen herauszuhalten. «Hör zu, May - wenn es dir eine Hilfe ist, kannst du gern Gaylord zu mir ins Zimmer legen.» Der Blick, den er seinem Enkel zuwarf, sagte deutlich: Wehe, wenn du jetzt sagst: Das hab ich Opa doch schon gesagt -.
Aber Gaylord dachte immer noch über den Unterschied zwischen Tante Dorothea und der Muttersau Bessie nach. «Oder ihre Jungen auffressen!» sagte er und sah seine Mutter fröhlich-verschmitzt an.
8
Es war Freitagnachmittag. Draußen wurde es schon dunkel. Der Fluß hatte die Farbe von trübem Metall, die Äste bogen sich im kalten Wind. Das einzig Helle in der grauen Winterlandschaft waren die Lichter des Gutshauses von John Pentecost.
Das Haus stand auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Flußtals. Ein guter Platz für eine Festung - es gab nur einen Zugang, und das war der kleine Weg, der von der Straße am Fluß heraufführte. Gaylord ließ den Weg und die Straße nicht aus den Augen. Sobald Tante Beas Mini aufkreuzte, wollte er in Abwehrstellung gehen oder sogar in der Versenkung verschwinden. Was hier dringend gebraucht wurde, dachte er, war ein Graben mit Zugbrücke. Aber als er Anfang der Woche mit Opa darüber gesprochen hatte, war die Antwort wieder nur das übliche Achselzucken der Erwachsenen gewesen. «Wozu denn, zum Teufel?» hatte Opa gefragt. «Damit die Tanten nicht reinkönnen», hatte Gaylord erwidert. Und da hatte tatsächlich in Opas Augen so etwas wie ein Schimmer aufgeleuchtet. Aber er hatte nur gesagt: «Dafür kriegen wir nicht die Bauerlaubnis, mein Junge.»
Jetzt lag Gaylord in einem Haufen Stroh oben auf dem Heuboden und spähte durch ein Astloch nach draußen. Fünf Meter unter ihm war der Hof, dahinter die Koppel, die Wiesen, der Fluß und jenseits des Flusses ein fremdes Land, das aus Feldern und Bäumen und einem Kirchturm bestand und wo die Menschen, wie Gaylord glaubte (ohne zu wissen, warum), Chinesisch sprachen.
Ein Licht erschien, blitzte auf und verschwand immer wieder, wenn das Auto hinter Bäumen oder Hecken entlangfuhr. Jetzt konnte er den Mini erkennen. Noch einen Augenblick, dann würden sie auf dem Hof aussteigen, die
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