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Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Titel: Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schloesser
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Zampano. Ich habe schließlich einen weiteren Musiker für die Rolle gewinnen können. Der sah zwar überhaupt nicht wie ein Angeber aus, konnte aber ganz wunderbar Posaune spielen. Dass im Stück eigentlich der Gegenspieler von Zampano, der Seiltänzer Matto, ein Instrument spielt, und auch nicht Posaune, sondern Trompete, war nun auch schon egal.
    Die Arbeit mit meinem Zampano und meiner Gelsomina hat viel Spaß gemacht. Aber die beiden Kollegen, die die übrigen Figuren spielen sollten, waren von Anfang an irgendwie beleidigt. Sie kannten mich nicht und wollten mich auch gar nicht kennenlernen. Das ist gar nicht so schlimm. Aber die Respektlosigkeit. Das war entsetzlich. Defätistisch waren die. Tolles Wort. Kommt aus der Militärsprache und meint Soldaten, die mit Absicht Zweifel und Misstrauen am eigenen Sieg unter den Kameraden verbreiten. Dafür konnte man sogar erschossen werden. Das hätte ich mit denen auch gern getan. Und die mit mir sicherlich auch. Ich glaube, wir wussten alle nicht, was wir voneinander wollten. Im Fußball sagt man, der Trainer habe die Mannschaft nicht mehr erreicht. Aber was heißt hier eigentlich nicht mehr? Die Gesichter der beiden haben mich noch ewig verfolgt und sind mir zum Inbegriff von Ignoranz und Starrsinn geworden. Sie haben sich nicht geweigert mitzuziehen, weil sie nicht konnten. Sondern weil sie nicht wollten. Sogar die Intendantin hat mit ihnen gemeckert. Aber es hat nichts genützt. Es ist eher noch schlimmer geworden. Beleidigter. Hasserfüllter. Warum bin ich bloß geblieben? Ich wollte nicht nachgeben. Wie blöd. Ich hätte sagen sollen, dass die beiden gehen sollen. Oder eben ich. Aber das wollte die Intendantin nicht. Sie wollte, dass sie gehorchen. Haben sie aber nicht. Da habe ich mich jeden Abend volllaufen lassen. Wein hauptsächlich. In Frankfurt machen sie welchen aus Äpfeln. Schmeckt gar nicht schlecht. Hat weniger Alkohol. Da musste man ganze Krüge trinken, um betrunken zu werden. Hannes hat immer Wein aus Hamburg mitgebracht. Damit ging es schneller. Aber nur etwas. Hinterher weiß man gar nicht mehr, ob man so viel gesoffen hat, weil man so frustriert war. Oder ob man so frustriert war, weil man so viel gesoffen hat. Wahrscheinlich stimmt beides. Das Saufen hat jedenfalls alles nur noch schlimmer gemacht. Der Gipfel war, dass ich meine eigene Generalprobe verschlafen habe. Wir hatten uns morgens nur zum Durchsprechen des Textes getroffen. Am Abend vorher waren die Dramaturgen und die Intendantin bei der Probe dabei. Sie fanden die Aufführung furchtbar. Völlig unterirdisch. Das haben sie natürlich so nicht gesagt. Aber ich konnte es spüren. Liebesentzug. Somit schon das zweite Theater, an dem ich verbrannte Erde hinterlasse, dachte ich.
    Mittags traf ich mich in der Kantine mit Michael. Er inszenierte gleichzeitig dort. Ein Jahr später übernahm er seinen ersten Intendantenposten in Essen und hatte mich in Hamburg bereits gefragt, ob ich nicht bei ihm arbeiten wolle. Er versuchte, mir zu helfen, aber da war längst alles zu spät. Ich hatte aufgegeben. Darüber war er entsetzt. Irgendwann musste er zur Probe. Ich bin einfach sitzen geblieben und habe weitergetrunken. Bis nichts mehr reinging. Da war es früher Nachmittag. Es gibt kaum etwas Verzweifelteres, als am helllichten Tag durch die Straßen zu torkeln. Die Leute haben mich ganz erschüttert angestarrt. Ich bin angezogen auf mein Bett gefallen und war sofort weg. Als ich vom drängenden Klingeln des Telefons wach wurde, war mir schon alles klar. O Gott, ist das peinlich. Ich bin dann in das Restaurant gefahren, in dem wir nach der Probe immer gegessen haben, und habe die Rechnung für alle bezahlt. Als ein Mindestmaß an zur Schau gestellter Reue. Weißt Du eigentlich, was ein Ablassbrief ist? Den konnten die Menschen vor langer Zeit in der Kirche von ihrem Pfarrer kaufen, um Vergebung zu erlangen. Ist das nicht verlogen? Sich von der Schuld freikaufen? Das hat damals nicht funktioniert und war in meinem Fall auch hilflos und dumm. Meine beiden Spezialfreunde freuten sich ganz besonders über meine Unmöglichkeit. Richtig genossen haben sie mein Elend.
    Haben wir ja schon immer gesagt. Der kann nichts. Überschätzt. Unprofessionell.
    Allmählich glaubte ich das auch.
    Die Premiere war ein Trauerspiel. Das Publikum war aufrichtig begeistert. Allein das Fachpublikum war im gleichen Maß entsetzt wie die künstlerische Leitung. Ulli zum Beispiel. Mein Chef aus dem Schauspielhaus. Ganz ernste

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