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Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Titel: Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schloesser
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nicht?«
    »Nochmals. Mein Name ist Schlösser, und ich wohne in der Präsidentensuite.«
    »Und?«
    »Und??? Sehe ich aus wie der Präsident? Nein. Ich sehe aus wie ein Clown. Wie ein böser Clown, um ganz genau zu sein. Wenn ich nicht sofort einen passenden Bademantel bekomme, drehe ich durch.«
    Angsterfüllt eilt das Etwas zum Telefon. Ich entscheide mich, erst einmal schwimmen zu gehen. Und tatsächlich. Als ich aus dem Wasser steige, steht das Wesen mit einem schweren, strahlend weißen Bademantel am Beckenrand. Geht doch. Fühlt sich gut an. Ganz dicker Stoff. Den ziehe ich nicht mehr aus. Ich bestelle einen »Caesar’s Salad« und erkundige mich bei dem nervösen Aushilfsbademeister nach der Irrenanstalt für Profis.
    »Irrenanstalt für Profis? Charité?«
    »Nein. Die, wo die richtigen Spinner hinkommen.«
    »Bonhoeffer-Institut für Nervenheilkunde. Berlin-Mitte. Oranienburger Straße.«
    Bingo. Das ist genau um die Ecke vom Theater. Wenn das mal kein Zufall ist.
    Auf ein leeres Blatt Papier notiere ich: Meine lieben Freunde, meine neue Adresse lautet von heute an: Bonhoeffer-Institut für Forensische Psychiatrie. Oranienburger Straße, Berlin-Mitte …
    Wortlos verlasse ich das Schwimmbad. Den Zettel lasse ich aus Versehen liegen. Auf dem Weg zur Rezeption erfasst mich der Wunsch, mit dem Regierenden Bürgermeister der Stadt über den Intendantenposten im neu zu schaffenden Theater in Mitte zu sprechen. Guter Mann. Mit Sinn für Glanz. Ich verlange sofort einen Wagen mit Stern. Das Personal ignoriert mich in der Hoffnung, so weiteren Schaden von sich und dem Hotel abwenden zu können. Langsam wissen sie doch, wer ich bin. Nur nicht so, wie ich mir das vorstelle. Idioten. Mit großer Geste werfe ich mitten in der Lobby meine große schwarze Kuriertasche ab und steige in das erste parkende Taxi vor der Tür. Im Bademantel. Der Herr ist Libanese und liest ein deutsches Buch. Recht so. Auf zum Roten Rathaus. Dort angekommen, stehen zwei Streifenbeamte vor dem Eingang, die mir in breitem Berliner Dialekt erklären, ihr Chef sei nicht daaaa, weeste. Uuurlaub.
    Na toll. Wenn ich nur wüsste, wo. Mein Kostüm stimmt, da bin ich mir sicher. Im Leben kommt überhaupt alles nur auf das richtige Kostüm zur richtigen Zeit an. Könnte ja passender nicht sein. Der Bürgermeister trägt bei der Hitze bestimmt auch gerade einen weißen Bademantel. Und hängt bei Frau Christiansen im Garten ab, dieser ehemaligen Talkshowmoderatorin aus dem Fernsehen, mit der er befreundet ist. Der Fahrer möchte mich loswerden und setzt mich vor dem Theaterdiscounter ab. Geld will er keins. Ich hab auch keins. Der Discounter ist zu. Ich habe meinen Schlüssel verloren und komme nicht rein. Ich gehe rauchend auf und ab. Die Zigaretten hatte ich schlauerweise in die Bademanteltasche gesteckt. Eingehüllt in den weißen Stoff, fühle ich mich wie ein Beduine. Lawrence of Arabia! Auch eine tolle Geschichte. Müssen wir unbedingt zusammen lesen. Ein anderes Mal.
    Es dauert nicht lange, und eine vierköpfige Polizeistreife kommt auf mich zu, die mir mitteilt, sie sei nicht für mich zuständig. Ich muss hysterisch lachen, schließlich sind die doch zu mir gekommen!
    Nun ja. Dann suche ich mal die für mich Zuständigen. Ich pilgere durchs Viertel, nerve ein Filmteam, indem ich mich als Erscheinung und Statist aufdränge. Ich beziehe nun wirklich alles auf mich. Sogar ein kreisender Polizeihubschrauber zeigt sich meinetwegen am Himmel. Die suchen mich. Wollen mich filmen. Ist doch klar. Aber die kriegen mich nicht, die nicht. Ich suche Schutz unter einer Markise. Es ist heiß. Dreißig Grad, die Hitze staut sich unter dem Stoff. Ich muss weiter. Im Schaufenster einer kleinen Boutique in der Oranienburger Straße erblicke ich eine gerahmte Stellenausschreibung. Gesucht wird eine weibliche Aushilfe zwischen 25 und 35 mit modischem Sachverstand und freundlichem Wesen. Beim Geschlecht haben sie sich geirrt. Aber sonst bin ich gemeint. Ganz klar. Das ist die adäquate Gelegenheit, die Zeit bis zum Eintreffen der Discounteramateure möglichst unterhaltsam zu überbrücken. Die beiden dunkelhaarigen Verkäuferinnen sind mir wohl gesonnen. Das spüre ich sofort. Sie bleiben entspannt und sind amüsiert. Sie schreiten selbst dann nicht ein, als ich anfange, Verkaufsgespräche zu führen. Auch die Kundinnen sind nicht durchgehend irritiert und machen den vermeintlichen Spaß mit, in der Annahme, dass das eben Berlin sei. Ist ja total verrückt hier. Ich

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