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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und hoffentlich bald auch total knusprigen – Enten aufmerksam gemacht hatte. Jetzt schwimmen die beiden
     mit großem Abstand zueinander und haben sich den Rücken zugekehrt. Anscheinend können sie sich gegenseitig nicht mehr riechen,
     obwohl sie doch ständig baden.
    »Siehst du, Eminanim, streiten ist auch ganz natürlich und gehört zum Leben dazu. Deine beiden Turtelenten schauen sich inzwischen
     nicht mal mehr mit dem Hintern an. Ich weiß nicht, was du hier noch machst, aber ich gehe jetzt wieder nach Hause und ziehe
     mir gemütlich meine Wolldecke über den Kopf! Von mir aus kannst du wegen ein paar alberner Blümchen weiter wie ’n Rumpelstilzchen
     rumhüpfen!«, sagte ich und lief schnurstracks nach Hause, in der Hoffnung, dass nie wieder ein Frühling kommen möge.
    Aber der lässt sich doch nie gänzlich aufhalten und kommt alle Jahre wieder pünktlich wie die Post! Oder wie meine Schwiegermutter!
     Die hat sich leider auch wieder angekündigt.
    Sie hat gestern angerufen und sich für heute angedroht. Die ganze Nacht habe ich mich hin und her gewälzt und unaufhörlich
     gegrübelt, wie ich dieser Begegnung am geschicktesten ausweichen kann.
    Als mich heute Morgen die Sonne weckte, kam mir plötzlich die rettende Idee. Ich sagte zu meiner Frau:
    »Eminanim, heute ist Frühling, ich muss sofort raus! Du sagst mir doch immer, ich soll unbedingt in die freie Natur und den
     ganzen Tag im Stadtpark picknicken, sobald ich nach dem grauen Winter endlich einen Sonnenstrahl entdecke. Leider kann ich
     deshalb heute meine heiß geliebte |57| Schwiegermama nicht sehen. Schade, dass sie schon heute Abend wieder zurückfahren muss.«
     
    Lieber Onkel Ömer, Du kennst ja meine Schwiegermama, sie ist noch grässlicher, streitsüchtiger und nerviger als die von Nasreddin
     Hodca. Und Du weißt auch, was mit dem armen Mann passiert ist:
    Eines Tages fiel seine Schwiegermutter, sie hatte gerade im Dorf ihren Waschtag, in den Fluss. Doch während die alarmierten
     Dorfbewohner alle in höchster Eile flussabwärts rannten, um die alte Frau zu retten, lief Nasreddin Hodca in die entgegengesetzte
     Richtung flussaufwärts. Verwundert blieben die Bewohner stehen und fragten ihn:
    »Hochverehrter Hodca, deine Schwiegermutter ist in den Fluss gefallen! Aber du läufst flussaufwärts, anstatt sie zu retten.«
    Doch Nasreddin Hodca lief atemlos weiter und stöhnte:
    »Ihr kennt den Charakter meiner Schwiegermutter nicht! Die Frau ist grundsätzlich gegen alles und legt sich mit jedem an.
     Die treibt sogar flussaufwärts, wenn sie ertrinkt!«
    So, lieber Onkel Ömer, jetzt kannst Du ungefähr abschätzen, wie meine Schwiegermutter drauf ist.
    Ich habe also eine Thermoskanne Tee und meine Zeitung genommen und bin in den Bürgerpark gefahren.Selbst eine Sonnenallergie
     ist mir lieber!
    Ich setzte mich im Park mitten auf die große Wiese, goss mir eine Tasse Tee ein und blinzelte in die warme Sonne. Genussvoll
     schlürfte ich meinen Tee und las Zeitung.
    Ich war nicht bereit, mir meine gute Laune von meiner Frau oder von meiner Schwiegermutter verderben zu lassen |58| . Denn die Vögel zwitscherten, die Osterglocken blühten, und die Erde stank nach Hundescheiße. Und da sah ich auch schon den
     Übeltäter: Ich beobachtete, wie ein riesiger Deutscher Schäferhund einen kleinen weißen Pudel bestieg. Und das mitten in der
     Öffentlichkeit!
    »Schämen Sie sich eigentlich nicht?«, hörte ich plötzlich unseren Nachbarn Opa Prizibilsky vom Gehweg aus brüllen. Ich grüßte
     höflich zurück, erfreut, ein bekanntes Gesicht im Park zu treffen, und rief:
    »Ja, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit, Herr Prizibilsky. Die tun geradeso, als hätten sie kein Zuhause. Aber so
     sind nun mal die Hunde.«
    »Davon rede ich nicht, Herr Engin! Ich meine Sie! Oder können Sie dieses Verbotsschild hier nicht lesen? Betreten des Rasens
     ist streng verboten! Setzen Sie sich gefälligst woanders hin«, sagte er ziemlich unfreundlich.
    Was weder die Schwiegermutter noch der Frühling geschafft haben, wird der auch nicht schaffen, dachte ich mir. Ich wollte
     mir meine gute Laune auf keinen Fall vermiesen lassen.
    Lieber Onkel Ömer, auf den Rasen setzen darf man sich in Deutschland nicht, aber was die Hunde dort so unverschämt getrieben
     haben, das hätte ich wohl gedurft. Dafür gab’s jedenfalls keine Verbotsschilder.
    Ich bemühte mich, meinen Nachbarn einigermaßen verständnisvoll anzulächeln, und sagte freundlich, damit

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