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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Magenkrämpfe«, flüsterte ich ganz leise.
    »Ein Glück, dass die feinen Menschen hier dein primitives Türkisch nicht verstehen können«, knurrte die zweitgrößte Nervensäge
     des Mittleren Orients lauter als mein Magen quer über den Tisch. »Osman, dass du einen aber auch überall mit deiner Blödheit
     blamieren musst«, zischte sie weiter.
    »Was kann denn mein armer Magen dafür? Der ist doch seit fünfundzwanzig Jahren nichts anderes gewöhnt als |102| deine angebrannte Bohnensuppe«, verteidigte ich meinen hungrigen Magen.
    »Halt bitte die Klappe!«, zeterte sie leise und fügte ganz laut und reizend hinzu: »Merci!«
    Um nicht wie ein Bauer dazustehen, antwortete ich auch auf Französisch und höchst vornehm:
    »Orravuar, Mädäm!«
    Unsere grandiosen Französischkenntnisse zeigten sofort Wirkung:Der Deutsche mit dem Schnurrbart vom Nebentisch bat mich höflich
     um Feuer. Ich zündete sehr vornehm seine Zigarette an. Bald darf man das ja auch nicht mehr. Ich meine, das Zigaretteanzünden
     der Nachbarn in Restaurants. Die Regierung tut alles, um eine erfolgreiche Integration zu verhindern.
    »Ich danke Ihnen sehr«, lächelte er.
    »Merci, merci«, sagte ich und schaute triumphierend zu meiner Frau.
    »Eminanim, ein Glück, dass die alten Osmanen Tausende von Wörtern bei den alten Franzosen geklaut haben, nicht wahr?«
    »Ja, es ist aber sehr peinlich, dass du von diesen Tausenden von Wörtern offensichtlich nur ›merci‹ behalten hast«, machte
     sie mich wieder zur Sau.
    »Mein Herr, Sie sind wohl Franzose«, rief der Deutsche mit dem Schnurrbart zu uns rüber.
    »Yes, Mösyö!«, bestätigte ich sofort.
    »Die Franzosen sind die einzigen Ausländer, die wir lieben«, ließ uns die Frau des schnurrbärtigen Deutschen mit glänzenden
     Augen wissen.
    »Ihr Franzosen habt den Eiffelturm, Napoleon und Paris«, sagte ihr Mann anerkennend.
    |103| »Wir haben auch Istanbul, Börek und Döner-Kebab«, sagte ich aus Versehen spontan und stammelte weiter, »in Deutschland, meine
     ich.«
    Und als Beweis meiner französischen Abstammung fragte ich dann die Frau:
    »Mädäm, können Sie denn kein bisschen Französisch?«
    Da schimpfte meine Frau leise mit mir:
    »Schämst du dich nicht, eine fremde Frau in aller Öffentlichkeit zu fragen, ob sie Französisch kann! Dazu auch noch eine verheiratete
     Dame!«
    »Aber ich meinte doch wirklich die französische Sprache«, wehrte ich mich auf Türkisch.
    »Oh Mann, wie wunderschön sich Ihre Sprache doch anhört, ich liebe sie«, offenbarte der Mann vom Nebentisch seine Liebe für
     Türkisch. Das war für Eminanim das schönste Muttertagsgeschenk, sie war völlig aus dem Häuschen und erwiderte:
    »Lö vu Madam Mösyö, parle vu France, Alaman de la Merci.«
    Ich übersetzte den Schwachsinn gekonnt unseren deutschen Nachbarn:
    »Meine Frau sagt, dass wir Franzosen die Deutschen auch sehr lieben, obwohl sie keinen Eiffelturm haben und noch nicht mal
     Döner.«
    »Doch, Döner haben wir leider, wie Sie ja eben auch gesagt haben. Aber weder mit diesem primitiven Essen noch mit dem Ausländerpack
     selber wollen wir etwas zu tun haben«, schmatzte die Frau.
    »Wir wollen mit denen auch nichts zu tun haben«, antwortete ich ihr in hyperverständnisvollem Ton, um den Leuten nicht den
     Appetit zu verderben. »Aber wegen unserer |104| schwarzen Haare hält man uns seltsamerweise ständig für Türken.«
    »Das kann doch nicht wahr sein«, sagte der Mann.»Ihnen sieht man doch gleich an, dass Sie Franzose sind. Sie haben kein bisschen
     Ähnlichkeit mit diesem Gesindel!«
    »Aber nicht jeder in Ihrem Vaterland hat eine so gute Menschenkenntnis wie Sie, mein Herr«, gab ich ihm das Kompliment höflich
     zurück und fügte hinzu: »Merci Mösyö, Jon Mari Lö Pen!«
    Danach winkte ich lässig und elegant dem Kellner zu und säuselte:
    »Garçon, zweimal soupe d’haricôts blancs, ziwuble!« »Osman, weißt du denn überhaupt, was du bestellt hast?«, flüsterte meine
     Frau besorgt.
    »Nein, weiß ich nicht, aber es klang so gut«, lächelte ich ertappt.
    »Es soll nicht gut klingen, sondern gut schmecken«, meinte sie wie immer ganz nüchtern.
    »Lassen wir uns überraschen. Diese Spannung ist mein zusätzliches Muttertagsgeschenk für dich.«
    »Sie haben ja sicher keine Kinder«, meinte plötzlich die Dame vom Nebentisch, und ihr Mann vollendete den Satz:
    »Im Gegensatz zu diesen Türken.Die haben alle drei oder vier Blagen.«
    »Einige haben sogar fünf«,

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