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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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»Denk heute an deiner Mutter Güte, bring
     ihr eine frische Blüte!« Die Süßwarenhändler konterten:»Was |99| soll deine Mutter mit einer Blüte. Kauf ihr lieber Süßes in der Tüte!«
     
    Lieber Onkel Ömer, am Muttertag ist das Prozedere in Alamanya genau das Gleiche wie in der Türkei. An diesem Tag müssen die
     Kinder zur Abwechslung mal an ihre Mutter denken und was Nettes tun,um sich bei ihr einzuschleimen, damit sie an den restlichen
     dreihundertvierundsechzig Tagen des Jahres von ihr noch mehr verwöhnt werden.
    An diesem Tag sind die Mütter also die absoluten Königinnen in der Familie. Es soll sogar einige geben, die drehen dann völlig
     durch und wollen allen Ernstes an dem Tag auch noch die Fernbedienung haben.
    Damit diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht allzu sehr auffällt, haben die deutschen Weiber, schlau wie sie sind, den
     sogenannten Vatertag erfunden. Der existiert natürlich nur auf dem Papier! Und hat weder ein festes Datum noch verpflichtet
     dieser »Ehrentag« irgendjemanden zu irgendetwas. Ich weiß auch nie, wann er stattfindet. Der ist manchmal im Mai, manchmal
     im Juni, manchmal findet er gar nicht statt, zumindest bei uns. Ich merke es meistens nur daran, wenn mich meine Frau zum
     Brötchenholen vor die Tür jagt und ich schon frühmorgens auf der Straße ein paar besoffene Kerle mit dicker roter Nase laut
     grölend rumtorkeln sehe, die einen Kinderwagen voll mit Alkoholflaschen hinter sich herzerren!
    Aber was bleibt diesen armen Männern denn sonst übrig, als aus ihren Heimen zu flüchten und sich bis zum Kragen volllaufen
     zu lassen? Alle trampeln auf ihren Gefühlen rum, niemand schätzt sie, niemand würdigt sie, nicht ein einziges Mal im Jahr!
     
    |100| Lieber Onkel Ömer, obwohl wir armen Väter also nie verwöhnt werden, habe ich persönlich trotzdem nichts gegen den Muttertag.
     Ist mir doch egal, sollen die Kinder doch mit ihrer Mutter machen, was sie wollen, da mische ich mich nicht ein!
    Aber wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, ist, dass meine Frau Eminanim am Muttertag von mir verwöhnt werden will! Ja,
     Du hast richtig gelesen:von
mir
! Von ihrem Ehemann! So eine unglaubliche Unverschämtheit!
    »Frau, das ist doch Unsinn, du bist nicht meine Mutter. Du bist nicht mal meine Tante«, habe ich ihr die traurige Wahrheit
     knallhart ins Gesicht geknallt.
    »Osman, ich weiß, dass ich nicht deine Mutter bin, und bin auch sehr froh darüber. Deine arme Mutter ist mit diesem grauenhaften
     Schicksalsschlag auch schon mehr als genug bestraft. Aber du musst mich trotzdem schick ausführen, weil ich schließlich die
     Mutter deiner Kinder bin, das ist doch ganz logisch!«, schimpfte sie daraufhin.
    »Eminanim, das ist die Aufgabe deiner leiblichen Kinder, und dazu zähle ich nicht! Auch wenn du mich ständig so behandelst!
     Wenn diese Parasiten fürs Restaurant kein Geld haben, müssen sie dir entweder zwei Spiegeleier braten oder aus dem Nachbargarten
     ein paar hübsche Blumen klauen! Die Hauptsache ist, dass sie damit zeigen, dass sie an dich gedacht haben. So steht es jedenfalls
     im offiziellen Ami-Muttertagsgesetz geschrieben.«
    Onkel Ömer! Die Frau hat mindestens fünf Kinder, und ausgerechnet
ich
soll sie am Muttertag zum Essen ausführen! So einen Zirkus mache ich ja nicht mal mit meiner eigenen Mutter. Meine Mama ist
     schon zufrieden, wenn ich einmal im Jahr bei ihr in Anatolien kurz anrufe.
    |101| Aber Du kennst ja Eminanim, alles Lamentieren und Diskutieren nützte nichts. Sie wollte unbedingt von mir zum Essen ausgeführt
     werden – noch dazu zum Franzosen. Spaghetti dö la France oder so!
    Wir verabschiedeten uns also gestern von unseren Kindern so herzzerreißend, als würden wir nicht in die Bremer Innenstadt
     fahren, um französisch essen zu gehen, sondern gleich nach Paris!
    Im französischen Restaurant brachte der französische Kellner die französische Speisekarte. Der Mensch war natürlich kein gewöhnlicher
     Kellner wie unsere türkischen oder deutschen Kellner. Zumindest tat er so.
    Ich las gespannt sofort die Speisekarte. Der erste Schock war: In dem Laden gab es keinen Döner! Der zweite Schock war: Wir
     konnten kein Französisch! Falls denn dieses Kauderwelsch Französisch war!
    Wir buchstabierten die Speisekarte Wort für Wort:
    »Gigot d’agneau, pommes mousseline«,
    »Quiche Lorraine«,
    »Soupe d’haricôts blancs«,
    »Crêpes Suzette«.
    »Wenn ich so was Kompliziertes essen muss, bekomme ich bestimmt

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