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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verbesserte ich ihn wahrheitsgemäß aus eigener Erfahrung.
    »Kennen Sie denn etwa einen Türken persönlich?«,fragte der Mann verdutzt.
    »Ja, ich habe eine türkische Haushälterin.Sie kocht jeden Tag für uns, wäscht, macht die Wohnung sauber. Würde ich Ihnen auch
     sehr empfehlen«, lachte ich.
    |105| »Ich habe auch einen Türken zu Hause«, konterte meine Frau sofort. »Er geht für mich in Halle 4 arbeiten, kauft ein und fährt
     unseren Transit! Aber den würde ich Ihnen doch nicht empfehlen.«
    »Ach, wie interessant, Sie haben einen türkischen Batler«, sagte die Frau überrascht. »Waldemar, so was will ich auch haben.«
    In dem Moment brachte der Kellner, pardon, der Garçon, unser Essen.
    »Mein Gott, das ist ja Bohnensuppe! Da hätte ich ja gleich zu Hause bleiben können«, rief Eminanim und konnte sich vor Lachen
     nicht mehr einkriegen.
    Sie hatte recht. Es war wirklich Bohnensuppe, so wie ich sie seit fünfzig Jahren aß und kannte. Nur diesmal nicht angebrannt.
    »Keine Bohnensuppe«, verbesserte ich sie, »sondern Soupe d’haricôts blancs. Und somit wäre auch bewiesen, dass Bohnensuppe
     das feinste Essen der Welt ist.«
     
    Lieber Onkel Ömer, meine Frau konnte aber die türkenfeindlichen Sprüche vom Nachbartisch anscheinend noch schwerer verdauen
     als die französische Bohnensuppe. Sie fragte den Schnurrbart neugierig:
    »Was bitte sind denn Ihre Gründe, dass Sie überhaupt keine Türken mögen? Haben die Ihnen persönlich was angetan?«
    »Zum Glück haben wir noch nie Türken persönlich kennengelernt. Wir leben nämlich erst seit einem Jahr hier in Deutschland,
     wissen Sie«, antwortete anstelle des Schnurrbartes seine Begleiterin, die, obwohl sie Deutsche war, fast noch schlechter Deutsch
     sprach als wir Französisch.
    |106| Hastig sprach der Schnurrbart weiter:
    »Wir sind aus Sibirien ins deutsche Reich übersiedelt, weil wir als Deutsche endlich unter Deutschen leben wollten. Aber was
     ist passiert? Jetzt leben wir hier unter lauter Polacken und dreckigen Türken.«
     
    Lieber Onkel Ömer, in dem Moment war Eminanim zum ersten Mal in ihrem Leben sprachlos. Nach einer Weile des Wütendseins zischte
     sie mir ins Ohr:
    »Osman, sag doch endlich was! Willst du das etwa auf dir sitzen lassen?«, und stand auf, um dem Mann eine zu kleben.
    Hastig nahm ich noch einen letzten Löffel von meiner Bohnensuppe, die plötzlich doch nicht mehr so lecker schmeckte, zerrte
     meine Frau nach draußen und rief zum Nachbartisch:
    »Wir wünschen Ihnen ebenfalls einen schönen Muttertag«, und lächelte zum Abschied mein ironisches Ausländerhasserversteher-Lächeln.
     
    Im Nachhinein war ich aber den beiden Russen ziemlich dankbar. Erstens hatte ich im Eifer des Gefechts doch glatt vergessen
     zu zahlen und zweitens wird meine Frau nach dieser Erfahrung mit Sicherheit nie wieder von mir verlangen, am Muttertag groß
     ausgeführt zu werden.
     
    Lieber Onkel Ömer, ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem Respekt die
     erfahrenen Hände und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
    Eminanim und die Kinder grüßen Euch selbstverständlich |107| auch und küssen den Älteren mit viel Respekt die Hände und den Jüngeren mit viel Liebe die Augen.
     
    Pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass bei Dir im Dorf jeder Tag ein
     offizieller Vatertag ist. Und dass Du an keinem dieser schönen Vatertage beim Bohnensuppe-Löffeln von blöden Import-Faschos
     angemacht wirst!
     
    Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem immer noch sehr kalten Alamanya

    PS: Lieber Onkel Ömer, wir haben uns an Ümmüyanim richtig gewöhnt. Ich meine, ich habe mich an sie gewöhnt. Eminanim kannte
     sie ja sowieso schon von früher.
    Wenn sie ihre gemeinsame Sprechstunde in unserer Küche hinter sich haben, klappern sie auch noch alle Frauen- und Asylantenheime
     in der Stadt ab, um die Leute dort auch gesund zu machen.
    Falls sie dann noch ein bisschen Zeit haben, gehen wir alle zusammen in der Stadt spazieren.
    Sogar Eminanims Zeitverständnis hat sich seit Ümmüyanims Ankunft verändert. Früher fingen ihre Sätze so an: »Damals, als die
     schwarze Kuh mit den weißen Punkten in unserem Dorf zur Welt kam …«, oder:
    »Als Onkel Ahmet vom Baum fiel und sich den rechten Arm brach …«, oder:
    »Als damals mein intelligenter und hübscher Sohn Mehmet mit der Schule anfing

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