Lieber Onkel Ömer
kennen?«, schaute er
erneut doof aus der Wäsche.
»Müslüm Baba, heißt er, mein Sohn, Müslüm Baba! Im deutschen Fernsehen musst du sein Lied natürlich auf Deutsch singen:
Of oof oooff,
Du hast mich krank gemacht, du Blutloser du,
Du hast kein Gewissen, du Ungläubiger du,
Du hast mich Blut kotzen lassen,
Wenn du stirbst, wird es mich kaltlassen
!
Mehmet, bei Müslüm Babas Konzerten mit solch gefühlvollen Liedern werden die jungen Menschen in der Türkei reihenweise ohnmächtig«,
sagte ich ihm.
»Vater, bist du krank oder was? So was Perverses nennst du gefühlvoll? Nicht mal die krassesten Hip-Hopper trauen sich, solche
sadistischen Texte zu räppen«, schüttelte er den Kopf.
»Mehmet, mein Sohn, Affen können auch nicht singen, aber die fangen erst gar nicht damit an! Und bewegen tust du dich auch
wie ein angeschossenes Wildschwein!«, sagte ich daraufhin zu ihm.
Meine Frau hielt mir sofort entsetzt den Mund zu.
|93| »Osman, bist du verrückt geworden? Wie redest du denn mit unserem Sohn?«, schimpfte sie mit mir.
»Eminanim, mit diesen Sprüchen bereite ich ihn nur auf die harten Bühnenbedingungen vor. Das Leben dort ist hart! Ich hab
sogar noch mehr Dieter-Bohlen-Sprüche für ihn auf Lager. Hör dir das mal an: Mehmet, unser Bulle in Anatolien gab auch solche
megapeinlichen Töne von sich, als wir ihn damals kastriert haben«, sagte ich zu ihm.
Lieber Onkel Ömer, Du musst nämlich wissen, dass bei dieser Veranstaltung die Leute genauso beschimpft werden wie bei der
Grundausbildung in der Armee. Das liegt wahrscheinlich daran, dass diese beiden Institutionen für die Menschheit ungefähr
gleichermaßen sinnvoll sind.
»Mamaaa, hilf mir doch! Vater ist heute voll auf Frontalangriff gegen mich. Er will mich hier unbedingt rausekeln«, meckerte
Mehmet.
»Nein, mein Sohn, mach dir darüber keine Sorgen. Ich will doch nur dein Bestes«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
»Ich weiß, du willst mein Zimmer«, sagte der Undankbare.
»Nein, ich versuche doch hier für dich die gleichen Bedingungen zu schaffen wie bei der Süperstarsendung im Fernsehen«, erklärte
ich ihm geduldig die Situation.
»Aber Vater, was hab ich denn mit dieser schwachsinnigen Fernsehsendung am Hut? Den Blödsinn schaue ich mir ja nicht mal an.
So was ziehen sich doch nur zwölfjährige Kinder rein«, sagte er plötzlich.
|94| »Aber Junge, wofür übst du denn dann seit Tagen vor dem Spiegel?«, fragten meine Frau und ich gemeinsam ganz schön verwirrt
und ziemlich enttäuscht.
»Ich übe doch nicht für ›Deutschland sucht den Süperstar‹! Ich bereite mich auf meinen großen Auftritt am › Tag der Arbeit‹,
am 1. Mai, im Zelt der Marxisten, Leninisten, Trotzkisten und anderen linken Kisten vor«, sagte er und sang wieder mit großer
Geste vor dem Spiegel sein blödes Lied:
»
Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.«
Lieber Onkel Ömer, dieses blöde Lied sang er gestern auch den ganzen Morgen. Er hatte überhaupt nicht vor, hier auszuziehen.
Mit anderen Worten: Es war alles ganz normal bei uns zu Hause – halt wie immer am 1. Mai.
Ich wollte mich mit meinen Kumpels bei Ahmet treffen. Wir wollten uns die gesammelten Sportschau-Sendungen der Rückrunde reinziehen
und die spannende Bundesliga-Saison gemütlich Revue passieren lassen. Keiner von uns hatte wegen der vielen Überstunden die
Zeit gehabt, sich alle Spiele in Ruhe anzugucken. Ich hatte die Sendungen von Februar bis März auf Video aufgenommen, mein
Kumpel Hasan den Rest.
Also stiegen alle Kommunisten, Feministen und die Grillisten in meinen Ford-Transit, und ich lieferte sie an ihren Einsatzgebieten
ab – zurück mussten sie aber selber kommen.
Nach fünf Stunden Fußballglotzen stellten wir bei Ahmet |95| gemeinsam todtraurig fest, dass Werder dieses Jahr wieder nicht Meister werden kann. Sogar der Chämpiänsliig-Platz war in
höchster Gefahr! Nicht mal sechs Flaschen eiskaltes Bier waren in der Lage, meinen großen Schmerz einigermaßen zu lindern.
Danach warfen wir uns alle auf den seit Stunden dämlich grinsenden Nedim drauf – der ist der einzige Bayern-Fän in unserer
sonst sehr harmonischen Gruppe – und rasierten dem Verräter zur Strafe ein großes W wie Werder auf seinen blöden Schädel und
warfen ihn hinaus vor die Tür.
Als ich wieder zu Hause ankam, waren die anderen auch schon da.
Nermin hatte mit
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