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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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uns. Mach Dir keine Sorgen, ich mach das schon. Machs Du auch gut, gute Nacht!

Der Tag des Schrebergartens
    Mein lieber Onkel Ömer,
     
    wie geht es Dir, und wie geht es meiner lieben Tante Ülkü? Wie geht’s der hübschen Kuh Pembe, wie geht’s der schwarz gepunkteten
     Ziege Fatima, wie geht’s Deinem störrischen Esel Tarzan, und wie geht es unserem guten alten Dorfvorsteher Hüsnü?
     
    Lieber Onkel Ömer, Du weißt im Vergleich zu mir natürlich viel besser, was ein Garten ist. Schließlich wohnst Du ja in einem
     großen Haus umzingelt von unzähligen Gärten. Und um von der Straße zum Haus zu gelangen, musst Du Dir den Weg durch einen
     richtigen Dschungel bahnen.
    Ich wohne hier in Alamanya mitten in der Stadt, in einem Mehrfamilienhaus in der zweiten Etage. Um zu meiner Wohnung zu gelangen,
     muss ich zweiunddreißig Betonstufen erklimmen, und um die nächste Grünfläche zu sehen, muss ich zuerst sechs Haltestellen
     mit der Straßenbahn, danach acht Haltestellen mit dem Bus fahren und dann drei Kilometer laufen. Manchmal kriege ich aber
     nicht mal nach dieser Strapaze etwas Grünes zu sehen, aber das liegt offenbar an meiner Dusseligkeit. Eminanim ist nämlich
     der Meinung, dass man im tiefsten Winter, nachdem es stundenlang geschneit hat, nirgendwo in dieser Stadt etwas |122| Grünes sehen könnte, sondern halt nur Weiß! Das aber auch nur am ersten Schneetag – am zweiten gibt’s nur matschiges Braun!
    »Wenn es erst mal matschiges Braun ist, dann kannst du warten bis du schwarz wirst, bis es grün wird!«, sagte sie. Ich hoffe,
     wenigstens Du kannst das verstehen – ich konnte es nicht!
     
    Du hast ja, wie gesagt, mehrere Gärten, einmal den großen vor dem Haus, dann den etwas kleineren hinter dem Haus und je einen
     Olivenhain rechts und links neben dem Haus. Von Deinen vielen riesigen Feldern mal ganz abgesehen. In Alamanya wird so ein
     Garten, wie Du ihn hinter dem Haus hast, »Kleingarten« genannt. Aber es ist nicht etwa so, dass die Besitzer dieser Gärten
     in der Hinterhand noch viele andere größere Gärten hätten – nein, das heißt nur so! Das ist nämlich ein ganz »lustiges Völkchen«,
     diese Kleingärtner, musst Du wissen!
    Lieber Onkel Ömer, wenn Du diesen Brief jetzt gerade im Männercafé Deinen Kumpels vorliest, bitte sag denen, dass ich »lustiges
     Völkchen« in Anführungszeichen gesetzt habe. Das ist höchst ironisch gemeint. Die sind nämlich überhaupt nicht lustig, diese
     Kleingärtner, sondern die radikalste Sekte, die unter Allahs Sonne existiert!
    Die deutsche Kleingärtner-Sekte, auch bekannt unter dem Namen »Natur-Fetischisten«, hat sich selber die strengsten Regeln
     auferlegt, damit sie jeden armen, naiven Eindringling, der, ahnungslos wie er ist, ihr Reich betreten möchte, sofort wie unerwünschtes
     Unkraut an der Wurzel packen, ihm den Boden unter den Füßen wegziehen |123| und ihn brutal eliminieren können. Danach werden mit riesigen Feuerwerfern die Restwurzeln unter der Erde abgebrannt.
    Aber ich glaube, diese Form der Wurzelbehandlung machen sie nur mit pflanzlichem Unkraut. Die menschlichen Eindringlinge werden
     nicht verbrannt – jedenfalls nicht öffentlich.
    Die unbarmherzigen Gesetze der Kleingärtner sind hart, sehr hart, sowohl gegen sich selbst als auch gegen Fremde. Die strengen
     deutschen Asylgesetze sind wirklich ein Witz dagegen! Die Überwachungsmethoden der Kleingarten-Mafia sind so brutal, dass
     die ehemalige DDR-Stasi daneben wie eine Kindergartengruppe aussieht. Ihre Selbstschutzmechanismen sind ausgetüftelter als
     das Sicherheitssystem der Schweizer Nationalbank!
    Wenn man es aber schafft, mit letzter Kraft all diese unzähligen Barrikaden zu überwinden, den tiefen Schützengraben irgendwie
     zu überqueren und die andere Seite der hohen Festungsmauern zu erreichen, dann ist man endgültig im Paradies!
    Dann ist man ein für alle Mal auf der Sonnenseite des Lebens angekommen und darf es sich in diesem elitären grünen Reich gemütlich
     machen und seinerseits anfangen, von den hohen Mauern kübelweise kochendes Fett auf die Köpfe der vielen Parasiten runterzuschütten,
     die einem doch nur die Butter vom Brot oder die reifen Tomaten vom Strauch nehmen wollen. Während dieser spaßigen Familienunterhaltung
     kann man mit Kind und Kegel die köstlichen gegrillten Bratwürste und die herrlich saftigen Gurken aus der eigenen Produktion
     genießen.
    Wie Du siehst, sind das wirklich traumhafte Aussichten, |124|

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