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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hochzeitswagen hübsch geschmückten Ford-Transit
     ausgestiegen, hielt ein riesiger blauer Mercedes-600 vor dem Saal. Und der Hallenmänäger sagte mir verschämt, dass sie den
     Saal leider mehrfach vermietet hätten und dass das Mercedes-600-Paar seine Hochzeit zuerst feiern müsste. Er bitte um Verzeihung,
     aber das sei ganz normal und komme in den Sommermonaten sehr oft vor. Die 600 Gäste des Mercedes-600-Paares sitzen auch bereits
     im Saal.
    Eminanim bekam einen Tobsuchtsanfall, ich hatte sowieso einen Sonnenstich und Du hast die Mütze vom Vermieter auf den Boden
     geworfen und draufrumgetrampelt.
    Das Mercedes-600-Paar war aber auch nicht restlos glücklich. Die Braut brüllte den Bräutigam an, dass er nicht so abfällig
     über ihren kleinen Bruder reden dürfe – so nicht! Ihre Mutter kreischte, sie lasse ihre hübsche Tochter mit so einem blöden
     Kerl nicht verheiraten, der so unverschämt über ihren Lieblingssohn lästere. Die Mutter von dem Bräutigam brüllte, sie würde
     nie im Leben erlauben, dass ihr kluger Sohn die Tochter von so einer billigen Schlampe heirate. Die Braut jammerte, dass sie
     aber unbedingt heiraten wolle, weil sie nicht zu Hause als alte Jungfer enden wolle. In dem Moment kam der besoffene Bruder
     der Braut angerauscht und scheuerte dem Bräutigam |118| eine. Eminanim und ich gingen rechtzeitig dazwischen und haben einen Massenmord verhindert. Alle stiegen dann getrennt in
     ihre Autos und zischten ab.
    »Eminanim, das ging ja noch mal gut, jetzt können wir endlich feiern«, rief ich gut gelaunt. In dem Moment hielt ein langer
     Konvoi, angeführt von einem silbernen BMW740, neben uns auf dem Parkplatz.
    »Entschuldigung, aber ich sagte ja bereits, wir haben aus Versehen mehrfach vermietet, nach dem Mercedes-600-Paar ist eigentlich
     dieses BMW-740-Paar dran und erst dann das Ford-Transit-Paar«, entschuldigte sich der Vermieter erneut.
    Die ganzen sechshundert Mercedes-600-Gäste mussten den Saal räumen, dafür quetschten sich dann die siebenhundertvierzig BMW-740-Gäste
     rein.
    »Wird in der Türkei nach Schönheit der Automarken geheiratet?«, fragte mich Helga unglaublich enttäuscht.
    »Nein, wenn es so wäre, dann müssten wir doch mit unserem Ford-Transit zuerst dran sein«, tröstete ich sie.
    In Deutschland mussten wir die Hochzeit wegen Gästemangel, in der Türkei wegen Platzmangel absagen.
    Es ist wirklich wie ein Wunder! Selbst mit neuen Namen, vertauschten Religionen und zwei geplatzten Hochzeiten wurden die
     beiden glücklich!
    Aber die spontane Ersatzhochzeit auf dem Parkplatz vor der Halle war eigentlich auch ganz nett, findest Du nicht?
     
    Lieber Onkel Ömer, ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem Respekt die
     erfahrenen Hände und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
    |119| Eminanim und die Kinder grüßen Euch selbstverständlich auch und küssen den Älteren mit viel Respekt die Hände und den Jüngeren
     mit viel Liebe die Augen.
     
    Pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass bei allen Deinen fünf Söhnen
     die Hochzeitsfeiern schon beim ersten Mal geklappt haben!
     
    Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem langsam etwas wärmer werdenden Alamanya

    PS: Lieber Onkel Ömer, die Frau Ümmüyanim ist mittlerweile sage und schreibe seit fast sechs Monaten bei uns zu Gast! Ich
     kann sie natürlich langsam nicht mehr als Gast bezeichnen, sondern eher als »Mitbewohnerin mit Migrationshintergrund«.
    »Ümmüyanim, Ihre armen Patienten in Istanbul machen sich bestimmt schreckliche Sorgen. Vielleicht sind einige von denen ja
     richtig krank geworden«, appellierte ich letztens zaghaft an ihr Gewissen, um sie zum Gehen zu bewegen. Mehr habe ich nicht
     zustande gebracht, Du weißt ja, diese verdammte türkische Gastfreundschaft! Man darf nicht mal die Einbrecher rauswerfen!
    »Herr Engin, ich habe selbstverständlich alles organisiert. Eine gute Kollegin hat meine Vertretung übernommen«, sagte sie
     voller Zufriedenheit.
    Lieber Onkel Ömer, ich bin mir sicher, diese Frau versteckt etwas! Die hat bestimmt etwas ausgefressen. Wieso sollte |120| sonst eine Ärztin bei uns wohnen? Ich schaue schon seit Monaten eifrig in die Zeitung, aber keiner der Verbrecher hat mit
     ihr eine gewisse Ähnlichkeit. Aber ich bleibe an dem Fall dran. Das ist auch nicht so schwer, sie hängt sowieso wie eine Klette
     an

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