Lieber Onkel Ömer
daraus, aber für die tolle Nachricht, dass er seine Angebetete heiraten durfte,
hatte es sich doch gelohnt.
Drei Tage später wurde er mit seinem frisch lackierten Schnurrbart zum Christen ernannt. Mit allem, was dazugehört. Er musste
lateinische Sätze nachsprechen, die wir nicht verstanden. Weil Recep sich verzweifelt wehrte, waren gleich fünf Priester im
Einsatz, um seinen Kopf in das Taufbecken zu stecken.
Natürlich bekam Recep auch einen neuen Namen: Rudi.
Danach wurde er mit Kruzifix um den Hals, nassen Haaren und neuem Namen kirchlich getraut.
Am drauffolgenden Samstag sollte die Hochzeitsfeier »im kleinen Kreis« stattfinden. Aber Helgas Eltern haben sich total zerstritten!
Sie konnten sich über die Gästeliste nicht einigen, obwohl dort nur die Namen von zwei Leuten |115| standen. Den Schwippschwager, den Frau Schulz einladen wollte, wollte Herr Schulz auf gar keinen Fall dabeihaben, und die
Rosemarie, die Herr Schulz einladen wollte, fand Frau Schulz schon seit ihrer Kindheit unerträglich. Eminanim fuhr damals
jeden zweiten Tag nach Emden, damit Frau Schulz ihren Scheidungsantrag wenigstens bis zur Hochzeitsfeier zurückziehen würde.
Aber es hat nichts genützt, diese Ostfriesen sind sturer als Dein Esel Tarzan.
Ich tröstete das frisch vermählte Paar damit, dass wir in zwei Monaten in der Türkei sowieso eine richtige Hochzeit feiern
würden, denn mein Vater und Eminanim wollten das unbedingt so haben.
Kaum waren Recep und Rudi verheiratet … ich meine, Rudi und Helga verheiratet, kam der berühmte Brief aus der Türkei. Mein
Vater hatte selbstverständlich nichts gegen eine Heirat seines Enkels mit einer deutschen Frau. Sie musste lediglich den islamischen
Glauben annehmen, einen türkischen Namen bekommen und Kopftücher tragen. Und heiraten sollten sie natürlich nur in der Türkei,
mit allen religiösen Ritualen, so wie es sich gehört.
Ich konnte Vater natürlich nicht sagen, dass die beiden längst verheiratet waren. Und erst recht nicht, dass mein Sohn Recep
Christ geworden war. Ein ganz moderner Christ! Mit schwarzen Haaren, gelbem Schnurrbart und chronischer Erkältung. Mein Vater
würde Recep-Rudi sofort verstoßen und mich gleich hinterher. Als kostenlose Zugabe auch noch die zweitgrößte Nervensäge des
Mittleren Orients!
Deshalb fuhren wir in den Sommerferien mit der gesamten Familie, einschließlich der neuen deutschen Schwiegertochter |116| , in die Türkei. Noch am Abend unserer Ankunft bekam Helga von einem echten Hodca den wahren Glauben verpasst. Meine Mutter
band ihr ein großes Kopftuch um, mit großen, roten Rosen drauf. Die neue Schwiegertochter musste arabische Wörter nachsprechen,
die weder sie noch wir verstanden. Aus ihrem Namen Helga machten sie Hülya. Aber im Gegensatz zu Recep hat man sie nicht gezwungen
ihren Schnurrbart umzufärben! In der Hinsicht ist die Türkei viel liberaler.
Früher war der eine Moslem, die andere Christ.Plötzlich wurde alles anders. Die Verhältnisse hatten sich total geändert. Jetzt
war der eine Christ und die andere Moslem. Am Anfang hießen sie noch Recep und Helga. Danach hießen sie Rudi und Hülya!
Nach der religiösen Trauung in unserem Dorf musste natürlich standesgemäß die Hochzeit gefeiert werden. Wir hatten den großen
Hochzeitssaal in der Kreisstadt angemietet.
Eminanim war mit den Nerven fix und fertig. Fünf Tage lang machte sie nichts anderes, als zusammen mit den anderen Frauen
aus unserem Dorf Bohnen und Reis in riesigen Waschbottichen zu kochen und Hunderte Dönerspieße zu organisieren.
Einen Tag vor der Hochzeit fand im Haus meiner Eltern das Fest für die Frauen statt, wobei meine Schwiegertochter Helga und
mein Sohn Recep traditionsgemäß Henna in die Hände geschmiert bekamen, damit sie am Hochzeitstag schöne rote Hände hätten.
Mein praktischer Verbesserungsvorschlag, anstelle des altmodischen Hennas lieber eine Dose schnelltrocknenden Acrylux-Doraflex-Hochglanzlack
zu verwenden, wurde leider mehrheitlich von |117| den Frauen abgelehnt. In Halle 4 hatten wir nur gute Erfahrungen mit dem Produkt gemacht.
Wie Du Dich ja sicher noch erinnern kannst, sind wir dann am nächsten Tag mit allen Traktoren, die wir im Dorf hatten, und
genau dreihundertsiebzig Leuten auf den Anhängern mitsamt dem ganzen Essen die dreißig Kilometer bis in die Kreisstadt getuckert,
um Receps Hochzeit zu feiern. Aber kaum waren Recep und Helga aus meinem als
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