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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aber natürlich nur unter der Bedingung, dass man während des ungemein strapaziösen Kreuzzuges gegen diesen grüner Bunker nicht
     selber am Fuße der Festungsmauer frittiert wird!
    Unter diesen Umständen kannst Du Dir ja wohl denken, wie begeistert und gleichzeitig erschrocken ich war, als meine Frau Eminanim
     mir letzte Woche vorschlug, dass wir uns auch einen hübschen, gemütlichen »Kleingarten« zulegen könnten. Auch bekannt unter
     dem Künstlernamen »Schrebergarten«. »Schreber« ist im Deutschen also ein anderes Wort für »klein«. Ich werde Hatice ab jetzt
     immer »Schreber-Streber« nennen. Reimt sich doch viel besser als »kleiner Streber«.
    Aber genau genommen kam Eminanims Vorschlag gerade zur rechten Zeit! Ich war nämlich langsam aber sicher am Verzweifeln. Wie
     Du weißt, war ich schon auf Mallorca und Gran Canaria, ich habe mir einen frechen Langhaardackel gekauft, ich feiere schon
     seit vielen Jahren feuchtfröhlich Weihnachten, manchmal sogar zweimal hintereinander, falls ich von unserem Schreber-Streber
     trotz meiner tollen roten Weihnachtsmann-Kostümierung doch als Papa enttarnt werde und mein Töchterchen dann die ganze teure
     Veranstaltung für ungültig erklärt.
    Aber all diese Bemühungen brachten bisher leider noch nicht den gewünschten Effekt! Mir fehlt immer noch der entscheidende
     Schritt, um von meiner türkischen Parallelgesellschaft rüber in die deutsche Leitkultur-Gesellschaft zu hüpfen. Dieser Schrebergarten
     würde mich mit Sicherheit ohne Umschweife auf der Stelle direkt in das Herz der deutschen Leitkultur-Gesellschaft hineinkatapultieren.
     
    |125| Selbstverständlich waren wir uns alle der schier unüberwindbaren Größe dieser Herausforderung durchaus bewusst und nahmen
     sie nicht auf die leichte Schulter. Wir wollten uns akribisch vorbereiten, um im entscheidenden Augenblick kraftvoll zuzupacken.
     Deshalb machte Familie Engin sofort eine angemessene Aufgabenteilung: Eminanim ging in mehrere Kleingartengebiete, um die
     aktuellen Preise zu erforschen. Mehmet ging ins Internet, um die strengen Kleingarten-Gesetze zu studieren, und ich ging ins
     türkische Männercafé, um mit meinem zukünftigen Schrebergarten – und dem damit verbundenen sozialen Aufstieg – bei meinen
     Kumpels anzugeben und Schulden einzutreiben! Denn es war ja vollkommen klar, dass ich mich, falls mir dieses Unternehmen »Mondlandung«
     wirklich gelingen sollte, in solch minderwertigen Etablissements nicht mehr blicken lassen durfte, konnte, sollte, wollte
     und würde!
    Dieser Umstand tat mir natürlich schon ein bisschen leid für meine lieben alten Freunde, aber wenn man von Hans und Frank
     gerufen wird, können einem Hasan und Faruk wirklich egal sein!
     
    Lieber Onkel Ömer, die Aufgabenverteilung hatte absolut perfekt funktioniert. Schon wenige Stunden später kamen alle mit sehr
     guten Nachrichten zurück.
    Eminanim hatte den »schönsten, putzigsten und gemütlichsten« Kleingarten Bremens, des Nordens, ja ganz Deutschlands entdeckt,
     sich sofort in ihn verliebt und alle Verträge auf der Stelle unterschrieben – ich bräuchte nur noch zu bezahlen. Ich war völlig
     erstaunt, wie schnell sie das geschafft hatte!
    |126| Mehmet hatte aus dem Internet das BKleingG (Bundeskleingartengesetz), auch bekannt unter dem Namen »Deutsche Kleingarten-Leitkultur«,
     runtergeladen und dazu noch die Bremischen und die Niedersächsischen Kleingarten-Gesetze. Unser toller Garten war leider fünf
     Meter außerhalb vom Bremischen Stadtgebiet, und somit mussten wir uns den Niedersächsischen Kleingarten-Gesetzen beugen. Das
     hatte wiederum zur Folge, dass wir die für die ganzen Prüfungen notwendigen Sachverständigen, wie zum Beispiel den »Rasenlängenbeauftragten«
     oder den »Heckenhöhenspezialisten«, extra für viel Geld aus Hannover kommen lassen mussten.
    Wie gesagt, alle hatten ihre Aufgaben sehr gut erledigt, nur ich war nicht ganz so erfolgreich gewesen. Die ganzen Gauner,
     die mir noch Geld schuldeten, sind sofort verduftet, sobald sie mich gesehen haben, und meinen Kumpels war es total egal,
     ob mein großer Sprung in die Mitte der deutschen Gesellschaft gelingen würde oder nicht. Denen war es völlig wurscht, ob ich
     bei dieser lebensgefährlichen Expedition – bei hochgezogener Zugbrücke und sehr tiefem Burggraben, in dem blutrünstige weiße
     Haie schwammen, die Festung zu stürmen – draufgehen könnte oder nicht. Und das sollen Freunde sein? Sie

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