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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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weiter. Außerdem hat inzwischen
     niemand mehr Geld zum Verreisen.
     
    Lieber Onkel Ömer, als verantwortungsvoller Vater überlasse ich natürlich nicht die ganze Ausbildung den armen überforderten
     Lehrern, sondern ich versuche selber, meine Kinder auf alle Eventualitäten des Lebens vorzubereiten.
    Am Anfang des Schuljahres habe ich mit Hatice die Sache mit den Bienen und den Blumen durchgenommen, und vor drei Monaten
     war das Thema Ausländerfeindlichkeit dran.
    Ich wollte meiner kleinen Tochter beibringen, wie sie souverän, selbstbewusst und angemessen reagiert, wenn ihr mal in der
     Schule jemand »Scheiß-Ausländer« hinterherruft.
    Schließlich muss sie doch ihr Leben jetzt selber meistern. Mehmet kann ja nicht überall dabei sein, um jedem Nazi eins aufs
     Maul zu hauen.
    |137| Ich sagte zu meiner frechen Tochter:
    »Hatice, mein Kind, in Deutschland sind achtzig Prozent der Leute Deutsche und nur zwanzig Prozent Ausländer. Ich weiß ehrlich
     gesagt nicht, wie die Deutschen auf Dauer diese achtzig Prozent halten können, ohne Kinder zu machen. Ich schätze mal, momentan
     funktioniert das nur deshalb, weil die Omas sich ihren Dackeln zuliebe hartnäckig weigern zu sterben. Nicht nur die Langhaardackel
     sollten diesen tapferen, zählebigen Omas dankbar sein, sondern auch wir. Denn sie sorgen dafür, dass der Ausländeranteil nicht
     explodiert, was automatisch noch schlimmere Schimpftiraden einiger Politiker nach sich ziehen würde – mit noch dämlicheren
     Lösungsvorschlägen. Zur Abwechslung schimpfen sie jetzt auch mal über die leeren Rentenkassen, was uns eine kleine Verschnaufpause
     verschafft.«
    »Vater, hör doch endlich auf mit dem Quatsch! Du bringst das arme Kind ja völlig durcheinander mit deiner Gesellschaftsanalyse,
     die sowieso hinten und vorne nicht stimmt«, rief Mehmet damals dazwischen und sagte zu Hatice: »Wenn dich jemand als ›Scheiß-Ausländer‹
     bezeichnet, dann holst du sofort meinen Bäysbollschläger und ziehst dem Idioten eins über den Schädel, ist das klar? Glaub
     mir, ich kenn mich aus, danach wird er nie wieder so was sagen.«
    »Ihr seid wirklich unmöglich«, schimpfte daraufhin meine ältere Tochter Nermin, »wie könnt ihr denn ein so kleines Mädchen
     mit solchem Schwachsinn vollquatschen? Hatice, meine Süße, hör bloß nicht auf die. Wenn dich jemand als ›Scheiß-Ausländerin‹
     beschimpft, musst du ihn sofort fragen, wie du ihm helfen kannst. Das ist bestimmt ein ganz armes Schwein voller psychosozialer
     Probleme, |138| das in dieser Gesellschaft total versagt hat und nur seinen Frust ablassen will.«
    Daraufhin krümmte sich Mehmet theatralisch vor Lachen und rief:
    »Nermin, ich möchte wirklich sehen, wie du mit so einem über seine psychosozialen Probleme reden willst. Er wird dieses Wort
     nicht mal kennen! Glaubst du allen Ernstes, dieser Idiot macht sich Sorgen, dass die Leute ihren Müll nicht richtig trennen,
     dass der Wald stirbt, dass die Pharmaindustrie nicht auf ihre Tierversuche verzichten will, dass die Studiengebühren zu hoch
     sind, dass die rote Paprika aus Spanien und die grüne Paprika aus der Türkei mit schrecklichen Pestiziden belastet sind …«
    Aber Nermin unterbrach ihn sofort:
    »Mehmet, hör doch endlich auf! Ich bin nicht blöd, ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass meine Agenda und die Agenda eines
     Skinhääds nicht ganz kompatibel sind. Aber ich bin mir auch sicher, dass kein Mensch als Nazi auf die Welt kommt.«
    »Und was ist mit den Kommunisten?«, fragte ich neugierig. »Werden die etwa so geboren?«
    »Natürlich nicht«, sagte Nermin.
    »Allah sei Dank«, atmete ich erleichtert auf, »da fallen mir ja riesengroße Steine vom Herzen. Dann kann mich ja keiner für
     diesen Idioten hier verantwortlich machen.«
    »Danke, Familie, ihr habt mich wirklich sehr schön aufgeklärt«, meinte Hatice spöttisch und versuchte aus dem Irrenhaus zu
     flüchten.
    »Hatice, halt, warte, mein Kind. Ich muss dich doch irgendwie aufklären«, rief ich ihr hinterher.
    An der Stelle mischte sich meine Frau Eminanim ein:
    |139| »Hatice, meine schöne Tochter, mach dir keine Sorgen, zu dir wird niemand in der Schule ›Scheiß-Ausländer‹ sagen. Das ist
     völlig ausgeschlossen! Nicht umsonst habe ich für dich eine Schule mit hundert Prozent Ausländeranteil ausgesucht!«
    Das war natürlich ein sehr guter Trick von meiner Frau, um gegen diesen schlimmen Spruch anzugehen. Wenn doch jemand in der
     Schule

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