Lieber Onkel Ömer
genüsslich
um die Wette.
In zwei Minuten baute ich unser Zelt erfolgreich ab. Abbauen ging viel schneller als Aufbauen. Einmal Gegentreten reichte
völlig aus!
Mit der Taschenlampe in der Hand lief ich weiter und fand ein anderes, viel hübscheres Plätzchen für unser Zelt.
»Eminanim, ich muss mal so dringend, wenn du willst, kannst du ja schon mal anfangen aufzubauen«, sagte ich.
Dann ließ ich mir genug Zeit, damit sie bis zu meiner |157| Rückkehr auch wirklich fertig wäre. Anscheinend hatte ich mir etwas zu viel Zeit genommen, denn als ich wieder da war, hatte
sie das Zelt schon aufgebaut und schlief tief und fest darin. Ich legte mich mit den ganzen Klamotten neben sie. Kurz danach
fing es wieder an, wie aus Eimern zu gießen, und ich konnte nach zwei anstrengenden Tagen endlich die Augen schließen. Ich
schlief fest wie ein Toter!
Als Ausgleich zur unserer chaotischen Reise träumte ich zum Glück nur von angenehmen und schönen Dingen: Ich lag zum Beispiel
bei strahlendem Sonnenschein mit der Luftmatratze auf dem Mittelmeer und ließ mich von den sanften Wellen romantisch hin und
her schaukeln.
Doch als plötzlich die Wellen immer heftiger wurden, wachte ich auf und stellte erschrocken fest, dass mein süßer Traum überhaupt
nicht süß, nämlich kein Traum, sondern bitterböse Wirklichkeit war!
Lieber Onkel Ömer, ich befand mich tatsächlich mit unserer stinkenden Matratze auf dem Wasser, aber leider auf der kalten
Nordsee! Der stürmische Monsunregen hatte mich und meine Frau ins Meer gespült! Aber Eminanim war gar nicht da, neben mir
auf der Luftmatratze lag nur der dicke Köter und leckte mein Gesicht.
»Bei Allah, ist meine Frau etwa ertrunken?«, fragte ich mich.
Oder vielleicht noch schlimmer: Hatte diese Bestie sie womöglich verspeist?
»Halloo, Osman, hallooo, Osman«, hörte ich in dem Moment die Stimme meiner Frau aus dem Jenseits.
»Eminanim, wo bist duuu? Was ist denn passieeert?«, brüllte ich, so laut ich konnte.
|158| »Was passiert ist, fragst duuuu? Du hast uns heute Nacht als Zeltplatz ausgerechnet ein altes Flussbett ausgesucht, du Schwachkoooopf!
Und der Regen hat die Luftmatratze rausgespült, aber wieso hast du den Hund mitgenommeeeeen?«, brüllte sie wieder.
»Frau, ich möchte viel eher wissen, was du gerade in dem Schlafsack von diesem Kerl treeeeiiibst, so viel kann ich nämlich
seheeeen!«, brüllte ich ganz schön böse zurück.
»Osman, als wir mit unserer Luftmatratze bei ihm vorbeischwammen, hast du mich runtergeschubst und stattdessen seinen Hund
mitgenommen. Eine ganz neue Variante von Partnertausch, wie ich finde. In diesem Urlaub hast du mit deinen Sexfantasien eigentlich
schon ein bisschen übertrieben! Ich hoffe, du wirst mit dem Köter glücklich«, schrie sie.
Als ich da mitten in der Nordsee auf der winzigen Luftmatratze zitternd vor Kälte immer weiter auf das offene Meer hinaustrieb,
wurde mir plötzlich der Sinn unserer Türkeiurlaube bewusst! Ich habe mir in dem Moment nichts sehnlicher gewünscht, als von
morgens bis abends auf Deinem Feld schwitzend Gurken zu ernten!
Zum Glück hat mich der Köter zusammen mit der Luftmatratze wieder zurück an Land gezogen, weil er so dringend musste. Wusstest
Du, dass Hunde im Gegensatz zu Menschen niemals ins Meer pinkeln?
Lieber Onkel Ömer, ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem Respekt die
erfahrenen Hände und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
|159| Eminanim und die Kinder grüßen Euch selbstverständlich auch und küssen den Älteren mit viel Respekt die Hände und den Jüngeren
mit viel Liebe die Augen.
Pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass Du da wohnst, wo andere Leute
Urlaub machen, und dass Dein Bett nachts nie selbstständig schwimmen gehen möge!
Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem sehr nassen Alamanya
PS: Lieber Onkel Ömer, dieser horrormäßige Urlaub hatte einen großen Vorteil: Ich war endlich mal mit meiner Frau alleine
und hab ihr knallhart meine Meinung gesagt: »Eminanim, bei mir meckerst du, wenn ich einen meiner Freunde mal zum Essen mitbringe.
Aber deine Arbeitskollegen dürfen sich hier gleich monatelang einnisten!« Zugegebenermaßen war das etwas respektlos einer
Medizinerin gegenüber, aber die beiden treiben mich langsam zum
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