Lieber Onkel Ömer
dem Klo und drehte
glücklich und zufrieden Däumchen. Wieso komme ich eigentlich nie auf so tolle Ideen?
Lieber Onkel Ömer, dieses ganze nervige Theater ist selbstverständlich nicht auf Nedims eigenem Mist gewachsen, sondern ein
klares Zeichen unserer gelungenen Integration in Alamanya. Nach dem Urlaub alle Verwandten und Bekannten mit Fotos, Dias und
Filmen in den nackten Wahnsinn zu treiben, das ist die reinste deutsche Leitkultur! Aber die Deutschen bleiben mit dieser
Leitkultur in ihrer Parallelgesellschaft unter sich, und ich armer Ausländer bekomme, wie gesagt, nur Besuch von meinen türkischen
Arbeitskollegen und Nachbarn. Was nicht weiter schlimm wäre, wären da nicht kiloweise Urlaubsfotos, die sie jedes Mal voller
Begeisterung mitschleppen – und ich muss stundenlang mit höchst interessiertem Gesicht Bilder von den langweiligen Motiven
anstarren, die ich selber schon unzählige Male fotografiert habe.
Deshalb war ich gestern umso aufgeregter, als meine kleine Tochter Hatice durch die ganze Wohnung brüllte:
|164| »Papa, Papa, ein Deutscher ist am Telefoooonn! Wo bist du deeenn, bist du taub oder waaaass?«, und laut gegen die Toilettentür
trommelte, wo ich mich gerade vom Alltag erholte.
»Bei Allah, in dieser Bude hat man nicht mal auf dem Klo seine Ruhe«, fluchte ich, aber blitzschnell hatte ich die Hose wieder
oben, denn ich wollte natürlich wissen, welcher Deutsche bei uns anruft.
»Hier Osman Engin, mit wem spreche ich?«, fragte ich mit klopfendem Herzen.
»Hallo, Osman, alter Kumpel, hier ist Hans. Wir sind aus dem Urlaub zurück«, brüllte mir unser Nachbar Hans ins Ohr.
»Mensch, Hans, das ist ja prima, dass du anrufst. Wie war es denn in der Türkei?«, fragte ich sehr gespannt.
»Es war ganz toll, Osman, genau wie du erzählst hast. Wir haben fantastische Dias gemacht. Wenn ihr Zeit habt, dann kommen
Petra und ich heute Abend vorbei und zeigen sie euch«, brüllte er wieder, als wäre er immer noch in der Türkei und hätte kein
Telefon in der Hand, sondern nur ein Megafon.
»Klar, Hans, in Ordnung, wir erwarten euch um acht zum Abendessen«, lud ich die beiden ein, ohne vorher Eminanim gefragt zu
haben. Aber meine Frau strahlte bereits wie ein Honigkuchenpferd, weil wir endlich nach Jahren der Entbehrung mal wieder von
einer deutschen Familie Besuch bekommen würden.
»Osman, das ist jaWahnsinn! Ich freue mich riesig, dass Hans und Petra uns besuchen. Dann muss ich aber heute was Besonderes
kochen«, rief sie mit bebender Stimme und rannte in die Küche.
|165| »Ja, Eminanim«, sagte ich stolz, »ist es nicht wunderschön, dass wir von unseren deutschen Nachbarn so gut akzeptiert und
anerkannt werden?«
»Osman, ruf doch bei Nedim und Hümeyranim an und erzähl denen, dass wir heute Abend deutsche Gäste bekommen. Aber lass dir
nicht anmerken, dass du nur deswegen anrufst«, schlug sie vor, clever wie sie immer ist.
»Super, mach ich! Wenn du auch noch die Erkek Fatma anrufst, dann weiß es morgen jeder«, freute ich mich wie ein Kind über
ein unerwartetes Geschenk.
Lieber Onkel Ömer, das war es ja im Grunde genommen auch! Es war wirklich ein echtes Gottesgeschenk, dass wir Besuch von diesen
Deutschen bekamen. Welcher Türke in Alamanya kann schon so was Herrliches von sich behaupten? Die sind sehr genügsam und bereits
total häppy, wenn ihnen bettelarme türkische Jungs ihre billigen Sandalen putzen! Ich rief natürlich sofort den Möchtegern-Fellini
an:
»Du, Nedim«, sagte ich am Telefon, »wir haben heute Abend deutsche Gäste! Aber erst einmal einen guten Tag, wie geht es euch?
Hans und Petra kommen uns gleich besuchen.«
»Ihr seid aber Glückspilze, die besuchen euch aber echt häufig!«, murmelte er mir ganz schön neidisch ins Ohr.
»Ja, leider, Nedim«, stöhnte ich, bemüht, glaubwürdig zu klingen, »die tun geradeso, als wenn ich auch ein Deutscher wäre.«
»Freu dich doch, Osman! Das Glück, so oft von Deutschen besucht zu werden, hat nicht jeder normalsterbliche Türke hier«, seufzte
er voller Bewunderung.
|166| Die Stunden, bis unsere deutschen Gäste endlich da waren, kamen mir wie Jahre vor.
Als Hans vor der Tür stand, umarmten wir uns leidenschaftlich.
»Allah sei Dank, Hans. Dank dem Allmächtigen, der uns wieder zusammengeführt hat«,rief ich begeistert,während ich voller Sehnsucht
seine Wangen küsste. Meine Frau umarmte Petra so heftig, dass sie im Gesicht blau
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