Lieber Onkel Ömer
Witze reißen!«
»Was meinst du denn damit?«, fragte ich verdattert.
»Ich meine, dass wir in Deutschland mittlerweile mehr türkische Komiker haben als alle Gemüse-, Döner- und Drogenverkäufer
zusammen«, zischte sie.
»Aber mein Verlag findet es niedlich, dass es hier Türken gibt, die sogar schreiben können, und bezahlt mir auch noch Geld
dafür«, habe ich mich verteidigt. Die zweitgrößte Nervensäge des Mittleren Orients konnte ja auch nicht wissen, was für einen
riesigen Spaß es macht, bei der Frankfurter Buchmesse vor dem Regal mit dem eigenen Buch zu stehen. Das Problem ist, ich wusste
es leider auch |217| nicht. Bis gestern habe ich es während einer Buchmesse noch nie geschafft, bei diesen Millionen von unnützen und überflüssigen
Büchern mein eigenes tolles Buch ausfindig zu machen. Es ist zum Verzweifeln! Wenn ich es selber nicht mal schaffe, mein eigenes
Buch trotz tagelanger, heftigster Suche aufzuspüren, wie sollen denn die armen Leser das schaffen, die ja nicht mal wissen,
dass ich überhaupt ein tolles Buch geschrieben habe?
Lieber Onkel Ömer, die Ausmaße der Frankfurter Buchmesse kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Ich werde mal versuchen, es Dir
zu schildern. Du weißt doch, wie riesig unser Gemüsebasar in der Kleinstadt ist, wo Du im Sommer immer mittwochs Deine Gurken
und Wassermelonen verkaufst. Jetzt stell Dir mal Hunderte solcher Hallen mit Tausenden von Ständen vor, und alle Stände vollgepackt
mit unglaublich vielen Büchern. Nein, das geht nicht, voll mit Büchern kannst Du Dir das Ganze garantiert nicht vorstellen.Stell
Dir lieber diese vielen Hallen mit tonnenweise sonnengereiften Gurken und Wassermelonen vor! Jetzt wird Dir bestimmt langsam
klar, wie unglaublich groß und voll diese Buchmesse ist!
Millionen von sonnengereiften Büchern, ich meine, frisch gedruckten Büchern werden während der Messe in den Markthallen ausgestellt.
Wer soll sich den Kram denn bloß angucken, geschweige denn lesen? Es gibt sogar chinesische und ostfriesische darunter, wer
soll denn so was verstehen?
Gestern war es dann also endlich so weit! Nach Jahren des vergeblichen Suchens habe ich zu guter Letzt doch noch |218| mein Buch auf der Frankfurter Buchmesse gefunden. Es war wirklich wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen! Ich bin vor
Freude regelrecht ausgeflippt, wie ein Verdurstender, der in der Wüste eine Wasserquelle entdeckt hat.
Meine tapfere Lektorin hat mich nämlich an der Hand genommen und mich durch die unglaublichen Menschen und Büchermassen zu
meinem Buch geführt. Das ist die Frau, die in meinem Buch in tagelanger Arbeit alle lästigen Artikel neu sortiert hat. Sie
ist nämlich so intelligent, dass sie sogar auswendig weiß, vor welchem Wort welcher Artikel stehen muss. Die Deutschen haben
nämlich die schlimme Angewohnheit, sämtliche Sachen nach Geschlechtern aufzuteilen und ihnen dann einen Artikel zu verpassen,
selbst wenn sie gar kein Geschlecht haben!
Dass jemand mit sehr schmutzigen Gedanken sich unter einer Dose oder einer Flasche was Weibliches vorstellen kann, das kann
ich ja noch irgendwie nachvollziehen. Aber dass in den Augen der Deutschen sogar Deine Sisyphos-Gurken weiblich sind, das
geht nun wirklich zu weit, oder? Die Gurke!
Im Gegensatz zu einer sauren Gurke wird aber ein süßes Mädchen als nicht weiblich angesehen, sondern sächlich: das Mädchen!
Und es kommt noch schlimmer: Selbst ein tolles Weib wird im Endeffekt auch nur als sächlich eingestuft: das Weib! Sogar Deine
Wassermelonen finden die Deutschen also viel weiblicher und erotischer als jedes hübsche Weib: die Wassermelone!
Für die Deutschen betreibst Du mit Deinen Gurken und Wassermelonen gewissermaßen einen regelrechten |219| Frauenhandel und machst Dich höchst strafbar! Wahrscheinlich ist das eine taktische Raffinesse der Zuhälter, die bei der Herstellung
des Duden mitmischen konnten, um bei einem echten Frauenhandel ohne Strafe davonzukommen:
»Herr Kommissar, wie Sie sehen, ist das doch nur ein Stück sächliches Weib, hat also nichts mit einer Frau zu tun! Sie können
es ja heute die ganze Nacht für sich behalten, um sich selber davon zu überzeugen!«
Und wo die deutschen Sexisten sich nicht einigen konnten, da haben sie einfach ein und demselben Ding gleich drei verschiedene
Geschlechter verpasst: der Wagen, die Karre, das Auto!
Aber was mit denjenigen sächlichen Gegenständen passiert, die bereits ihr
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