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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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jedenfalls nicht übermäßig. Der Himmel war blau, aber davon sah man nicht viel wegen der Ballons rund um den Hyde Park. Vor allem gehörten die Gesichter darauf meistens irgendwelchen dickwanstigen Kerlen, die Bier soffen, einem auf Sylvesterpartys in den Hintern kniffen und doofe Sprüche abließen wie: Na, wie wär’s mit uns beiden? Es war seltsam, die Visagen all dieser Typen in 200 Meter Höhe zu sehen, wo sie uns vor Kamikaze-Angriffen schützten. Wahrscheinlich die erste vernünftige Tat in ihrem ganzen Leben.
    Zwischen den Ballons kurvten Hubschrauber. Einer flog in einem weiten Bogen um den Park und kam dabei immer tiefer. Man konnte die Piloten sehen mit ihren großen Helmen, die aussahen wie bei den Lego-Figuren meines Jungen. Ich winkte ihnen zu, aber sie reagierten nicht. Tja, muss schon schwierig sein, wenn man die Arme nicht abwinkein kann. Als wären die Hubschrauber noch nicht genug, fuhr ein Polizeiboot über den See. Zwar nur ein kleines Schlauchboot mit zwei Polizisten in kurzen Hemden, aber mir war nicht klar, wozu die gut sein sollten. Wahrscheinlich wollten sie nichts anbrennen lassen, Osama. Und wenn du auf die Idee gekommen wärst, den Eiswagen am Nordufer anzugreifen, hättest du die Attacke jetzt glatt abblasen müssen. Unser Bötchen schaukelte, als sie an uns vorbeifuhren.
    Richtig relaxen konnte man auf diesen Bötchen zwar nicht, aber alle machten das Beste draus. So sind wir Engländer eben. Der Serpentine ist halb voll und nicht halb leer, diese Einstellung etwa. Wir tranken den Wein aus Plastikbechern. Die Sonne stach, und der Wein war kalt und stieg einem sofort in den Kopf Petra seufzte. Sie hielt die Hand ins Wasser und schlug kleine Wellen dabei.
    - Wie fühlst du dich jetzt?, sagte sie.
    - Besser. Aber noch immer ein bisschen komisch. Ich versuche, mich nicht verrückt machen zu lassen.
    - Ich weiß, was du meinst, sagte Petra. Du, ich möchte dir sagen, daß ich für dich da bin. Egal, wie lange es dauert, bis du wieder in Ordnung kommst.
    - Danke.
    - Keine Ursache, sagte Petra. Jedenfalls verbringe ich diesen schönen Tag lieber mit dir als mit dem verdammten Jasper. Offen gesagt, er ist ein ganz schöner Langweiler geworden. Dabei war er mal wirklich was Besonderes. Hat sich für alles interessiert. Stundenlang konnte man sich mit ihm unterhalten, egal über was, ob Popmusik, Plutonium oder Hühner pest. Es war faszinierend, weil er fasziniert davon war. All das ist jetzt vorbei. Seit dem 1. Mai kommt er aus seinen Depris nicht mehr heraus. Und übers Wochenende haben wir immer Charlie zu Besuch, das merkt man dann die ganze Woche an seiner Laune.
    - Charlie?
    -Kokain, sagte Petra. Die bleiche Gebieterin. Dagegen kommt keine Frau an.
    - Keine Ahnung, etwas Härteres als 2 Alka Seltzer hat mein Mann nie genommen.
    Petra lachte und schenkte uns nach.
    - Die Kokserei allein ist halb so schlimm. Viele angesagte Leute nehmen das Zeug, sogar tonnenweise, und trotzdem steigen sie Frauen nicht aufs Klo nach.
    Petra ließ ihren Kopf gegen die hölzerne Bordwand rollen. Bumm. Einmal mehr überflog uns der Hubschrauber sehr niedrig. Der Wind der Rotorblätter peitschte kleine Wellen hoch, die sich von der Mitte des Sees nach außen ausbreiteten, und blies durch unsere Lady-Di-Frisuren.
    - Du hättest deine Haare besser so gelassen. Es war viel schöner vorher.
    Petras Kopf lag noch immer an der Bordwand. Sie schloss die Augen.
    - Stimmt, sagte sie. Aber Jasper mag es so lieber.
    - Ehrlich?
    Petra schlug die Augen auf und blinzelte mich an.
    - Ja, sagte sie. Wenn ich aussehe wie du, haben wir besseren Sex.
    - Oh.
    -Ja, sagte Petra. Komisch, nicht? Man sollte doch meinen, mir müsste was anderes einfallen als ausgerechnet Lady Di. Jedenfalls wenn man bedenkt, dass ich Millionen Leuten dauernd alle möglichen Tipps gebe, wie sie sich für das Geschlecht ihrer Wahl schöner machen können. Wenn man bedenkt, dass ich für die Redaktion Mode und Lifestyle des Sunday Telegraph arbeite und dass du nichts bist als… na ja…
    - Betrunken.
    - Betrunken. Ich übrigens auch. Wie ging das nochmal: Wasser auf Alkohol schmeckt fein, Alkohol auf Wasser lass sein?
    Lachend goss sie uns den Rest aus der Flasche ein. Sie schluckte und wickelte ihren Rocksaum auf dem Finger auf.
    - Ich bin wahrscheinlich schon so betrunken, das ich bedenkenlos sagen kann, woran ich gerade gedacht habe, sagte sie.
    - Und was wäre das?
    Petra setzte sich auf. Sie hielt sich mit beiden Händen an meinem Handgelenk fest,

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