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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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meine Jungs sterben lassen. DU WUSSTEST ES, als wir zusammen durch die Wolken schwebten. Monatelang hast du mich belogen. Wie gesagt, ich hätte es ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, aber aus meinem Mund kam nur Stöhnen. Keuchend warf ich den Kopf auf dem Kissen hin und her, verdrehte die Augen – dann das große Nichts. Terence lag auf mir, und die Flammen in seinen Augen erloschen im gleichen großen Nichts. Übrig blieb ein bisschen grauer Qualm. Und mein Junge, der im Bad auf dem Rand der leeren Wanne saß und BANG-BANG-BANG mit den Füßen gegen die Innenseite trat.
    - Das war phantastisch, Terence. Du hast mir ja so gefehlt.
    - Mmmm, sagte er. Stille.
    - Terence, ich hab nachgedacht. Wenn du ein zweites Mal entscheiden könntest, was du am 1. Mai tust, würdest du es noch mal so machen?
    Terence seufzte, und ich spürte, wie sich seine Muskeln wieder verkrampften.
    - Kannst du nicht mal an etwas anderes denken?, sagte er.
    - Ich muss es wissen.
    Terence Butcher zog ihn aus mir heraus und wälzte sich auf den Rücken. Er griff nach seinen roten Marlboros und steckte sich eine an und ich auch.
    - Schwer zu sagen, ob ich alles noch einmal so machen würde, sagte er. Da sind so viele Faktoren zu berücksichtigen.
    - Erzähl, welche?
    Er nickte, lächelte schwach, zog an seiner Zigarette und blies den Rauch langsam zur Decke hoch. Er drehte sich zu mir und sah mich traurig an. Ich glaube ja, er wusste, was gespielt wurde. Und er sah mich an wie unser alter Hund damals, als ich und mein Mann zu dem Schluss gekommen waren, das Beste, was wir noch für ihn tun konnten, war, ihm sein Lieblingsfressen zu geben, ihn dann in seine Lieblingsdecke zu wickeln, um ihn schließlich in unserem alten Astra ein letztes Mal zum Tierarzt zu fahren.
    - Muss ich wirklich?
    Ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und meine Stimme war sehr leise.
    - Ich muss es wissen.
    Terence Butcher nickte. Dann zündete er sich eine neue Zigarette an, setzte sich im Bett auf und erzählte. Er erzählte alles, und das so langsam, deutlich und so sorgsam formuliert, dass ich dachte, er spricht in ein Diktiergerät. Als er fertig war, sah er mich nicht mal an, sondern rollte sich zur Seite und schlief wie wohl seit dem 1. Mai nicht mehr – und hatte dabei diesen traurigen, gefassten Ausdruck im Gesicht wie sonst nur die Steinfiguren auf einem Friedhof.

 
    Es WAR FÜNF U HR FRÜH und noch dunkel, als ich ging. Der Fahrradkurier wartete schon draußen vor dem Hotel, genau wie mit Jasper und Petra besprochen. Ich übergab ihm Mr. Rabbit mit der Kamera im Bauch, und er sauste los, während ich den 23er-Bus nahm. Am Piccadilly Circus stieg ich aus und mietete mich im Golden Square Hotel ein. Das Hotel war mir als besonders schick aufgefallen, als ich mal mit meinem Jungen zum Trocadero fuhr. In Wirklichkeit ist es ein ziemlich schmuddeliger Laden, dafür aber billig. Ich blieb dort die 4 Tage bis zum Sonntag. Niemand wusste, wo ich war, nicht mal Petra und Jasper. Jasper meinte, es wäre besser so.
    Ich blieb die ganze Zeit in meinem Zimmer, ernährte mich von Chips und Sandwiches und trank das rostige Wasser aus dem Handwaschbecken. Ein komisches Gefühl, nur rumzusitzen, nichts zu tun und zugleich zu wissen, dass ich nie wieder zu Scotland Yard zurückkonnte. Ich versuchte, so viel wie möglich zu schlafen, um nicht dauernd nachdenken zu müssen. Tagsüber döste ich auf dem Bett und sah, wie Flammen an der Tapete hochzüngelten, und jede Nacht lag ich wach und hörte die Rucksacktouristen auf dem Flur krakeelen. Frühmorgens, wenn noch niemand wach war, schlich ich mich aus dem Zimmer und lief zwischen Portionen kalter Kotze zum Bad am Ende des Flurs. Das waren ziemlich einsame 4 Tage, Osama, aber das störte mich nicht, denn nach einer Weile tauchte auch mein Junge wieder auf, und wir redeten miteinander.
    - Mami, sagte er. Wo sind wir?
    - Wir sind in einem Hotel, mein Schatz.
    - Und warum?
    - Weil wir uns verstecken müssen. Mein Junge machte große Augen.
    - Und warum?, fragte er.
     
    - Weil es so am sichersten ist. Mami hat Petra geholfen, einen Artikel für die Zeitung zu schreiben, wo sie arbeitet. Der Artikel kommt am Sonntag raus. Und wenn der Artikel raus kommt, geht es den bösen Männern schlecht, die dir und Daddy wehgetan haben. Viele Leute wollen dann mit deiner Mami sprechen.
    - Klasse, wir verstecken uns!, sagte er.
    Ich lächelte ihn an. Es war so schön, bei ihm zu sein. Er war so hübsch mit seinen rötlichen Haaren und den

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