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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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dem Zöllner Henri Rousseau (1937).
    Während der Großen Depression kehrte Paul zur Malerei des 19. Jahrhunderts zurück, die in dieser schwierigen Zeit leichter zu verkaufen war als die Modernen. 1933 eine Monet-Ausstellung, Renoir 1934. Das Jahr 193
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war für sich allein ein Fest: im Januar Braque, im Februar Seurat, im März Picasso, im April Monet, im Mai Matisse und im Juli Marie Laurencin.
    Jede seiner großen Picasso-Ausstellungen war ein Ereignis. Die erste von 1919, auf die ich noch zurückkomme, umfasste 167 nicht-kubistische, noch unbekannte Zeichnungen. Die von 1926 war eine der eindrucksvollsten vor der One-Man-Show zehn Jahre später, 1936, als die Galerie Rosenberg neunundzwanzig Gemälde und Zeichnungen von Picasso ausstellte und sechshundert Besucher täglich empfing. Bei ihr war »Rosi[ 17 ] so aufgeregt, als ob die Bilder für ihn gemalt worden wären«, wie manche Kollegen voller Neid sagten, verblüfft von der Fülle und Qualität der Werke. Dem Katalog dieser Ausstellung war der schon erwähnte Text von Albert Wolff als Motto vorangestellt.
    Viele seiner Bilder verlieh Paul auch. Das war sein Beitrag zur ersten französischen Picasso-Retrospektive 1932 in der GaleriePetit und 1934 im Wadsworth Atheneum und in Hartford, Connecticut. In der Kunstwelt der USA war es eine Sensation, das Werk dieses aufsehenerregenden Malers zu sehen, ein epochales Ereignis. Rosenberg hatte durchgesetzt, dass eine Strophe aus La Fontaines Fabel
Das Dromedar und das Floßholz
aufgenommen wurde, die seiner Meinung nach Skeptikern die Augen öffnete und die er auch dem Katalog seiner Pariser Ausstellung 1936 voranstellte:
    So macht Gewohnheit uns mit allem leicht vertraut;
Mit dem, was fremd uns schien, wovor uns selbst gegraut,
Wird unser Aug sich bald versöhnen,
Wenn wir’s nur erst daran gewöhnen
…[ 18 ]
    Vor allem aber half er seinem Freund Alfred Barr monatelang bei der Organisation und Auswahl der Werke für die erste große Picasso-Retrospektive im New Yorker MoMA 1939, die 1940 ins Art Institute in Chicago weiterwanderte. Dafür lieh er über dreißig Werke aus – die so der Gier der Nazis entgingen – und erwarb sich die Dankbarkeit von Barr, der wie gesagt dafür sorgte, dass Paul und seine Familie im Herbst 1940 in den USA als Flüchtlinge aufgenommen wurden.
    Die anderen großen Maler kamen nach Picasso in den »Rosenberg-Stall«. 1924 Braque, dem Paul 1936, 1937 und 1938 drei große Ausstellungen widmete, die letzte vom 4. bis 29. April 1939, kurz vor dem Krieg, war auch eine der letzten in der Pariser Galerie Rosenberg. Léger kam 1926 zu der Mannschaft der Rue La Boétie 21 und machte das Trio komplett.Seinen »vierten Musketier«, Matisse, kannte Paul schon sehr lange.
    Die Korrespondenz von Rosenberg und Matisse befindet sich noch im Besitz der Familie des Malers und wird wie der ganze Nachlass in seinem Haus in Issy-les-Moulineaux aufbewahrt, an der einstigen Route de Clamart. Das Haus hat sich seit Matisses Lebzeiten nicht verändert, nur die Straße ist seither in Avenue Charles-de-Gaulle umbenannt worden.
    Es ist Herbst. Ich stoße das Tor zum Garten auf, der Rasen ist laubübersät, und betrete ein kleines, altmodisches Haus, das in lebhaftem Kontrast steht zu den modernen Konservierungsmethoden des Archivs. Alle Dokumente sind digitalisiert, man lässt mich vor einem Computer neben der Heizung Platz nehmen, in demselben Raum, der dem Maler als Modell für
Die Klavierstunde
gedient hat, eines seiner berühmtesten Bilder, das einen Bruch in seinem Werk markiert. Die Fensterflügel und -bänke, der Garten, alles ist da, wie auf dem Bild von 191
6.
    Pauls Briefwechsel mit Matisse beginnt im Jahr 1916. Sie schrieben sich häufig und voller Wärme. Matisse lieh Paul 1922 Bilder aus seiner eigenen Sammlung, einen Cézanne und einen Courbet, für die Ausstellung »Die großen Meister des 19. Jahrhunderts«. »Die Ausstellung«, schrieb mein Großvater, »wird überdies beweisen, dass auch die Künstler unserer Zeit (…) in der Tradition bleiben und ihrerseits die französische Malerei ehren.« Immer dieselbe Leidenschaft, zu zeigen, dass die Kunst ein Kontinuum bildet und dass die Werke, die bei ihm ausgestellt sind und die Bourgeois empören, in der historischen Kontinuität der Kunst seines Landes stehen.
    Am 22. Dezember 1934 schreibt Henri Matisse an seinen Sohn Pierre, »die Geschäfte gehen nicht gut. Man spürt bei alleneine gewisse Interesselosigkeit. Nur Paul Rosenberg war sehr herzlich

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