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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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Smoking umher und bestaunte die rosigen Wangen seiner Kinder.
    Dennoch klagt er, weit weg von seinen Bildern zu sein, nach denen er sich schon sehnt, und lästert: »Die ganze Hautevolee ist hier. Je höher die Gesellschaftsschicht, desto niedriger die Moral.« Im September 1929: »Ich komme aus Deauville zurück. Keine Erholung, alles geschäftiger als in Paris, vor allem nichts Sinnvolles zu tun, außer herumzustolzieren.« Im Jahr darauf das gleiche Lied: »Hier ist alles gekünstelt. Jeder kommt zum Sehen und Gesehen-Werden. Die Kinder habenden Strand und die Felder; die Eltern das Casino und das Auto; die Männer die leichten Mädchen. Und es gibt viele davon in der Normandie! Lauter Snobs, und wir als erste, Margot liebt das. Bald werden alle in den Süden gehen.«
    In der Tat zog die kleine Gruppe von Privilegierten, Nachtschwärmern und Mondänen später nach Saint-Tropez oder auf die angesagten Antillen-Inseln.
    Gelegentlich erkundigte sich Paul diskret nach der Produktion seines Malers: »Die Ausstellung des bewussten Picasso ist mit großem Tamtam für den baldigen 14. Februar angekündigt«, erinnerte er Picasso im Januar 1921. »… und meine Harlekine, meine Harlekine!«, jammerte er angesichts der Nachlässigkeit Picassos, der nicht das gewünschte Produktionstempo an den Tag legte. Im August 1929 wieder dieselbe Beschwerde: »Sie sind weggefahren, ohne mir meinen Harlekin zu liefern, Sie sind schrecklich!« Für Schlamperei und Trägheit hatte der fast manisch gewissenhafte Paul anscheinend kein Verständnis.
    Periodisch beklagte er sich auch, »Ihren neuen Stil noch nicht gesehen zu haben«, freilich nicht im Ton eines Finanziers, der Fotos von der neuen Kollektion Karl Lagerfelds anmahnt, sondern wie ein Kind, vor dem man sein neues Spielzeug versteckt. Er war fasziniert vom Genie des Malers, der nur allzu gut darum wusste. »Man redet nur davon, dass Sie nach Russland gefahren sind, um die Porträts der neuen Herren zu malen«, schrieb er an Picasso, der in Moskau Stalin und seine Handlanger traf. »Ich bin sehr ungeduldig, die Produktion von 1926 zu sehen. (…) Geben Sie mir doch eine Vorstellung vom ›neuen Picasso‹.« Paul hatte früh begriffen, dass der Maler seinen Stil fast jedes Jahr ändern würde.
    Manchmal, wie im Juli 1921, bestellte er ohne Umschweife: »Für diesen Winter brauche ich sehr viele Bilder. Ich bestelle hundert bei Ihnen, auszuliefern am Ende der Ferien.« Merkwürdig, dass Paul sich wie der Besitzer eines Modesalons ausdrückt, der beim Großhändler um die Ecke seine Winterkollektion bestellt …
    Schämte er sich, hatte er Komplexe gegenüber denen, die ein Werk erschaffen können? Tatsächlich kehrt in den Briefen an Picasso und später an Matisse das Bedauern immer wieder, nur Vermittler, nie schöpferisch zu sein. Er wusste genau, dass er es mit einem der größten zeitgenössischen Künstler zu tun hatte, auch wenn er ihn zum Schaffen drängen musste (wie es zu seiner Zeit auch Durand-Ruel bei »seinen« Impressionisten tat), und unterstützte jeden Stilwandel Picassos. Die ständige Erneuerung faszinierte ihn, und zwischen 1918 und 1932 gingen alle großen Werke Picassos durch seine Hände.
    Schon in den Zwanzigerjahren, schrieb er 1941 in dem schon erwähnten Artikel für die Zeitschrift
Art in Australia,
habe er Besuchern, die vor diesen Bildern stutzten, die so anders waren als alles, was sie kannten, erklärt: »Picasso geht immer wieder über seine Grenzen hinaus; er ist der größte Maler der Gegenwart, und für mich ist jede seiner Serien ein Genuss. (…) Picasso, der alle Regeln umgestürzt und andere nach seiner Vorstellung geschaffen hat, der es leid war, ständig dieselben Formen wiederholt zu sehen, hat seine eigenen erfunden, neue Horizonte eröffnet und die Malerei zu dem geführt, was sie sein sollte, nämlich ein Werk der Kunst, nicht bloße Dekoration.«
    Das mondäne bürgerliche Leben in der Rue La Boétie ging weiter. 1929 kaufte Paul Pferde. Um es Wildenstein gleichzutun?»Ich besitze zehn Pferde. Ich werde ihnen die Namen meiner Maler geben. Und wenn ein Picasso gewinnt, wird das für Ihre Erzeugnisse Reklame machen«, albert er und verflucht diese Rennpferdmanie, die ihn ein Vermögen kostet.
    Im selben Jahr wurde ihm der Orden der Ehrenlegion verliehen. Picasso gratulierte, worauf Paul antwortete: »Mein lieber Picasso, der Ritter dankt für Ihre Glückwünsche, sie haben mir einen weiteren Autografen eingebracht.« Dann kommt er auf die

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