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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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ein paar Hundert Meter von den Errázuriz entfernt. In der Nähe wohnten auch Georges Wildenstein und Josse Hessel, Kollegen und Freunde Paul Rosenbergs. Sie trafen sich alle in La Mimoseraie und schlossen dort mündlich einen Vertrag: Paul wurde der Vertreter Picassos in Frankreich und Europa, Wildenstein in Amerika, wo er schon eine Galerie hatte. Wildenstein blieb allerdings im Hintergrund, und als sich die beiden Händler 1932 zerstritten, übernahm Paul bis zum Krieg die Vertretung Picassos weltweit. Ohne schriftlichen Vertrag erhielt Paul das Recht »auf den ersten Blick«, das heißt, er durfte sich als erster die Bilder aussuchen, die ihm gefielen, die übrigen konnten an andere Händler verkauft werden. Nach diesem Modell wird sich Paul später auch mit Braque und Matisse einigen.
    Für Pauls Familie war der Sommer 1918 eineinschneidendes Datum, im Guten wie im Argen. Das Gute war die Freundschaft zwischen Paul und Picasso. Das Arge war, dass die so entstandene Beziehung zwischen den Familien Rosenberg und Wildenstein später aus privaten Gründen zu einem Zerwürfnis führen würde, auf das ich noch zurückkomme.
    Von da an wurde das Verhältnis zwischen Rosenberg und Picasso immer herzlicher. Der Maler genoss die Ruhe, die ihm der Vertrag mit Paul brachte, er sah die Möglichkeit, dem Kubismus zu entkommen, auf den Paul nicht begierig war, und wusste, wenn er in der Galerie Rosenberg ausstellte, würde er nicht mehr nur als Avantgardist betrachtet, sondern neben den berühmten Meistern des gerade vergangenen Jahrhunderts seinen Platz haben. Denn damals präsentierte Paul noch vor allem die Kunst des 19. Jahrhunderts, und das bot Picasso die Gelegenheit, sich in die Tradition der großen Klassiker der vergangenen Jahrhunderte zu stellen. Deutlicher als jeder andere spürte Picasso, wie schon gesagt, die Zusammenhänge zwischen künstlerischer Produktion und Kunsthandel und überwachte die Ausstellungen seiner Werke sorgfältig. Roland Penrose schreibt: »Seine Freundschaft mit Paul Rosenberg vertiefte sich, da sich der Kunsthändler nützlich zu machen verstand, Picassos Interessen vertrat und in seiner Galerie Ausstellungen für ihn organisierte.«[ 6 ]
    Er war froh, endlich einen Händler zu haben, der das Moment der Weiterentwicklung begriff. Mit großem Feingefühl stellte Rosenberg Picassos Bilder zusammen mit Werken von Turner, Monet und Delacroix aus. Und er konnte Picasso schließlich davon überzeugen, sich vom Kubismus zu lösen. Erhat nicht nur Picasso auf diesen Weg gebracht. Dasselbe tat er bei Matisse, und Braque entwickelte sich bei Paul vom Kubismus zu … Braque. Rosenberg hat sie alle wieder zum Sujet zurückgebracht, selbst in der Abstraktion. Da verband sich sein ästhetisches Gespür mit dem kommerziellen, und die Zeit hat ihm recht gegeben.
    Bei der ersten Ausstellung von Picasso-Zeichnungen im Oktober 1919 zeichnete Picasso selbst für die Einladungen zur Vernissage verantwortlich. Beide, Picasso und Rosenberg, wollten mit dieser Ausstellung einen Bruch markieren: Sie enthielt kein einziges kubistisches Bild, sondern 167 Zeichnungen und Aquarelle. Maler und Galerist entschieden sich für die Zeichnungen, weil sie das unbekannte, weniger revolutionäre Werk Picassos zeigen wollten, in dem sich dennoch etwas Neues ankündigte. So demonstrierte Picasso seine Hinwendung zum Klassizismus und zugleich seine Offenheit für neue Entwicklungen.
    Das Publikum entdeckte eine Fülle von Harlekinen, Stierkampf-, Zirkus- und Ballets-russes-Szenen, aufs Meer vor Saint-Raphael hinaus geöffnete Fenster, Porträts und Stillleben, die den Klassikern näherstanden als alles, was man bis dahin von Picasso kannte.
    Im Herbst überredete Paul Picasso, in das Haus nebenan zu ziehen, in die Rue La Boétie 23, wo das Ehepaar Picasso nun zwei Etagen bewohnte. Die beiden Männer wurden enge, ja unzertrennliche Freunde.
    Diese Nähe war fast körperlich zu spüren, als ich die 214 Briefe las, die Paul von 1918 bis zu seinem Tod 1959 an Picasso schrieb, zum größten Teil zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und 1940, als der Zweite sie einander entfremdete.
    Forscher können sie im Musée Picasso einsehen. Ich hattegeahnt, dass dort ein Schatz liegt, aber ich hatte mir nie die Mühe gemacht, ihn genauer anzuschauen, weil ich mir ja ein eigenes Leben außerhalb der Familie schaffen wollte. Jetzt, da ich mich entschlossen habe, diese Vergangenheit zu erforschen, sitze ich tagelang in der Bibliothek im

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