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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Sache wurde Zusehens rauher, als auch die weiter hinten Stehenden nach vorn zu drängen begannen.
    Die ganze Beerdigungsgesellschaft wäre Carla in die Grube gefolgt, wenn St. John sich nicht umgedreht und sich wie ein Verteidiger bei den Chicago Bears in die Menge gestemmt hätte, so daß er in die vorrückende Front eine kleine Bresche schlug. »Weg da. Aus dem Weg... zur Seite... los!« schrie er, schlug etlichen auf die Köpfe und schleifte unser verdattertes Häuflein vorbei an hundert neugierigen Augenpaaren zu dem Auto, das am Friedhofstor auf uns wartete.
    Langsam wurden wir zum Haus der Familie am Rande des Dorfes gefahren, und dort saßen wir eine Stunde lang schweigend da und hielten kleine Teller mit Windbeuteln auf dem Schoß. Mrs. Ball saß aufrecht auf der Stuhlkante, und jedesmal, wenn sie etwas zu sagen versuchte, weinte sie in ihr Taschentuch.

    Auf dem Rückflug erzählte ich St. John von den Kassetten, weil ich dachte, daß er sich darüber ärgern würde. Ich wollte ihm wirklich den Tag verderben. Christian Dexter hatte es vorgezogen, in düsterer Isolation einen Fensterplatz in der halbleeren Maschine zu belegen, und ich saß mit St. John auf der anderen Seite des Ganges. Als die Stewardeß vorbeikam, beugte St. John sich über mich hinweg und bestellte einen großen Scotch für sich und einen Gin Tonic für mich.
    Er lehnte sich zurück, machte den Knopf an seinem dunklen Jackett auf und wartete auf die Drinks. Dem teuren dunklen Anzug samt weißem Hemd und schwarzer Krawatte zum Trotz fehlte es St. John an wahrer Eleganz. Für ein Nilpferd hätte er eine gute Figur gehabt, aber als Kleiderhengst war er einfach verbaut. Seine Brust war zu breit, seine Taille zu stark. Außerdem hatte er das, was die Rugbyspieler als Entenkrankheit bezeichnen: Seine Beine waren zu kurz, und sein Hintern zu dicht am Boden. Aber tough sah er aus, dafür sorgte er: das sandblonde Haar überall zentimeterkurz geschnitten und hinten und an den Seiten ausrasiert, damit man den dicken Nacken sah, umschlossen von strammen, rosigen Muskelsträngen.
    »St. John wird denen in den Arsch treten!« pflegte Carla in Krisenzeiten immer zu sagen. »Wenn du an diesem langen Teakholztisch sitzt und Deals und Verträge aushandelst, dann willst du keinen, der alles verschenkt wie Franz von Assisi an die Leprakranken. Du willst den gemeinsten Schweinehund im ganzen bekannten Universum, und er soll das Kleingedruckte lesen.« St. John, der Schutzpatron der Mängelkiller, war kein heiliger Franziskus, das steht fest.
    Manche meinten, er sei verrückt, aber man konnte darüber streiten, ob die unerhörten Späße, für die er berühmt war, die Taten eines gemeingefährlichen Irren waren oder harmlose Clownerien. Er hatte tatsächlich einmal einen Sender besetzt, der sich nicht an die Vereinbarungen gehalten hatte. Es hieß, er habe UKR fünfzehntausend gezahlt, damit sie die Debutsingle von Strangeways, einer Prä-Punk-Heavy-Metal-Band über den Sender gehen ließen. UKR hatte einen unvernünftigen Diskjockey, der fand, er habe einen besseren Geschmack als der Producer seiner Show. Leider war es aber keine Geschmackssache. Der DJ lieferte die vereinbarten Sendezeiten nicht, und das sollte er bereuen. Es heißt, der Mann war drei Stunden mit St. John in einem Zimmer eingesperrt und sei immer noch nicht wieder ganz richtig im Kopf, obgleich seine Show sehr populär ist.
    Ich fragte Carla, weshalb sie ihn ausgesucht habe.
    »Hab’ ich gar nicht. Er hat mich ausgesucht. Die Jungs fanden, er sei ein ziemlicher Gorilla, aber ich wüßte, er würde mir ranschaffen, was ich wollte. Bei St. John kriegst du Spektakel, Randale, Unternehmergeist, einen starken Arm, harte Ellbogen und nochmals Spektakel. Er hat keine Angst davor, mit Pauken und Trompeten über die Klippen zu gehen und jemand anderem die Fahne in den Arsch zu rammen.«
    St. John hatte schon manche Fahne sonstwohin gerammt. Er hatte Erfahrung. Er war älter als Punk, und als die stachligen Pogojahre in den schlafwandlerischen Siebzigern den Wecker klingen ließen, da agierte er ebenso kommerziell wie jeder beliebige Popmanager und kultivierte seine antisoziale establishmentfeindliche Persönlichkeit. Er hatte immer noch einen oder zwei große Namen aus jener Zeit, die sich nicht selbst zerstört hatten, aber Carla war die frischeste und erfolgreichste Künstlerin gewesen, die er seit langem entdeckt hatte. Jetzt starrte er durch die dicke runde Scheibe zu seiner Linken in die Wolken

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